Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
einem Kopf voll klimpernder Nickel und kleckernder Dimes, jener ewigen Spieldose der Armen. So konnte es natürlich nicht funktionieren, also kehrte ich, als mir das Mädchen den Laufpass gab, nach Hause zurück und schrieb meinen Roman zu Ende. Dann plötzlich änderte sich alles, und dieser Text handelt vom ersten stürmischen Tosen des Erfolgs und dem herrlichen Nebel, den er mit sich bringt. Es ist eine kurze und kostbare Zeit, denn wenn sich der Nebel nach ein paar Wochen oder Monaten lichtet, muss man feststellen, dass das Beste bereits vorbei ist.
    Es begann im Herbst 1919, als ich vollkommen pleite und dazu von der Schreiberei des Sommers so stumpfsinnig geworden war, dass ich mir einen Job bei Northern Pacific gesucht hatte, wo ich Wagendächer reparierte. Dann klingelte der Briefträger an meiner Tür, und ich kündigte noch am selben Tag, lief durch die Straßen und hielt Autos an, um es meinen Freunden und Bekannten zu erzählen: Mein Roman Diesseits vom Paradies war zur Veröffentlichung angenommen worden. In jener Woche klingelte der Briefträger wieder und wieder an meiner Tür, und ich zahlte meine entsetzlichen kleinen Schulden ab, kaufte mir einen Anzug und erwachte jeden Morgen mit einem Gefühl unbeschreiblicher Erhabenheit und Verheißung. Diese Phase endete mit einem Besucher.
    Der Besucher hinterließ zunächst nur seinen Namen, doch irgendjemand sagte mir, es sei der Name eines großen Zeitungsverlegers aus einer Nachbarstadt. Was lag näher, als dass dieser Mann bereits von meinen glänzenden Zukunftsaussichten gehört hatte und mich ersuchen wollte, ihm eine Kolumne aus meinen Gedankenresten zu gewähren. Eines Tages kam mein Vater zu mir herauf, jenen Ausdruck auf dem Gesicht, den er den notorisch Gesetzesuntreuen vorbehielt.
    »Ein Herr A. ist unten«, sagte er.
    »Schön – das ist der Zeitungsverleger.«
    »Hm!«, sagte mein Vater, womit es ihm gelang, unbestimmt zu bleiben.
    Binnen zwei Minuten war ich mir selbst unsicher, was es mit Herrn A. auf sich hatte. Da stand mein erster anonymer Bewunderer, einer, der nicht mal mein Buch gelesen hatte, und weit davon entfernt, ein Zeitungsverleger zu sein, war er vor allem ein hauptamtliches Scheusal, jemand, der sich mit Zielstrebigkeit und Hingabe darauf konzentrierte, ein Scheusal zu sein. Alles an ihm war aalglatt und in ständiger Bewegung – Auge, Zunge, glitschige Hand und tänzelnder Fuß. Er schnatterte in koketter, abscheulicher Erregung vor sich hin, sagte, er habe Gedichte geschrieben, und machte das Schreiben an sich zu etwas Beschämendem und Anstößigem. Jahrelang war er es, auf den ich mich mehr oder weniger gefasst machte, wenn ein Bewunderer bei mir zu Hause aufkreuzte. Mein uneingeschränktes Glück wankte unter diesem Schlag.
    Die Wandlung vom Amateur zum Profi nahm ihren Lauf – eine Art Zusammenflicken des eigenen Lebens zu einem Muster, in dem das Ende eines Jobs automatisch der Anfang des nächsten ist. Vielversprechende Männer, deren Stern binnen eines Jahres wieder verblasst, sind nicht imstande gewesen, all ihr Denken und Fühlen der Aufgabe unterzuordnen, dramatisch zu denken und zu fühlen – Genussmensch und Politiker, Verleger und Idealist, Schmeichler und Hedonist, kluger Kopf und Faulenzer, sie alle finden einen Weg, diese Notwendigkeit zu umgehen, und wenn sie sich an ihre Arbeit setzen, bleiben die Bänder ihrer Schreibmaschinen trocken. Im Juni jenes Jahres noch Amateur, war ich im Oktober, als ich mit einem Mädchen im Süden des Landes zwischen den Grabsteinen eines Friedhofs einherschlenderte, bereits zum Profi geworden und mein Entzücken über manches, was sie fühlte und sagte, von der Ungeduld begleitet, es in einer Geschichte festzuhalten – sie hieß ›Der Eispalast‹. So war ich auch eines Abends während der Weihnachtstage in St. Paul zwei Bällen ferngeblieben, um an einer Geschichte zu arbeiten. Im Laufe des Abends riefen mich drei Freunde an und erzählten mir, welche ungewöhnlichen Ereignisse ich verpasst hätte: Ein stadtbekannter Müßiggänger habe sich als Kamel verkleidet und sei in dieser Aufmachung – mit einem Taxifahrer als Hinterteil – auf der falschen Party erschienen. Voller Wut auf mich selbst, weil ich nicht dabei gewesen war, brachte ich den folgenden Tag damit zu, Bruchstücke der Geschichte zusammenzusammeln:
    »Also, es war unglaublich komisch, aber mehr weiß ich auch nicht.«
    »Nein, keine Ahnung, wo er den Taxifahrer herhatte.«
    »Man muss ihn schon gut

Weitere Kostenlose Bücher