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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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kennen, um sich vorstellen zu können, wie komisch es war.«
    Verzweifelt sagte ich: »Na schön, offenbar kann ich nicht herausfinden, was genau geschehen ist, aber ich werde darüber schreiben, als wäre es noch zehnmal komischer gewesen als alles, was ihr mir erzählt habt.« Und so schrieb ich es innerhalb von zwanzig Stunden auf, und zwar als »komische« Geschichte, einfach weil alle mit solchem Nachdruck behauptet hatten, es sei komisch gewesen. ›Eher geht ein Kamel…‹ erschien in der Post und taucht bis heute immer wieder in humoristischen Anthologien auf.
    Gegen Ende des Winters begann eine angenehme Phase, in der ich mich ganz leergepumpt fühlte, und während ich mir eine kleine Pause gönnte, formte sich vor meinen Augen ein neues Bild vom Leben in Amerika. Die Ungewissheiten des Jahres 1919 waren vorüber – es schien kaum Zweifel darüber zu geben, was geschehen würde: Amerika bewegte sich auf den großartigsten, prachtvollsten Rausch seiner Geschichte zu, und es würde jede Menge darüber zu erzählen geben. Der ganze goldene Aufschwung lag in der Luft – mit all seinen herrlichen Freizügigkeiten und empörenden Verderbtheiten und dem qualvollen Todeskampf des alten Amerika der Prohibition. Alle Geschichten, die mir in den Sinn kamen, hatten einen Stich ins Katastrophale – die entzückenden jungen Geschöpfe in meinen Romanen gingen zugrunde, die Diamantberge meiner Kurzgeschichten explodierten, meine Millionäre waren so schön und verdammt wie Thomas Hardys Bauern. Im Leben waren diese Dinge noch nicht passiert, aber ich war mir ziemlich sicher, dass das Leben kein so ungefährliches, sorgloses Unterfangen war, wie die Leute meinten – die Leute jener Generation, die nur wenig jünger war als ich.
    Denn mein Ausgangspunkt war die Trennlinie zwischen den beiden Generationen, und dort stand ich nun, meiner selbst nicht ganz gewiss. Als ich zum ersten Mal stapelweise Post bekam – Hunderte und Aberhunderte von Leserbriefen zu einer Geschichte über ein Mädchen, das sich einen Bubikopf schneiden ließ –, schien es mir einigermaßen absurd, dass man sich damit an mich wandte. Andererseits war es für einen schüchternen Mann ganz angenehm, mal wieder jemand anders als nur er selbst zu sein: »der Autor« zu sein, wie er einst »der Leutnant« gewesen war. Natürlich war man genauso wenig Autor, wie man je Armeeoffizier gewesen war, aber niemand schien hinter die falsche Fassade zu blicken. Dann heiratete ich, und die Druckerpressen hämmerten Diesseits vom Paradies heraus wie Extrablätter im Kino – alles innerhalb von drei Tagen.
    Nach der Veröffentlichung erreichte ich ein Stadium manisch-depressiven Wahns. Zorn und Glückseligkeit wechselten im Stundentakt. Viele Leute meinten, es sei ein Schwindel, und vielleicht war es das, und viele andere meinten, es sei eine Lüge, was es nicht war. Völlig benebelt gab ich ein Interview – ich erzählte, was für ein großartiger Schriftsteller ich sei und wie ich diese Höhen erklommen hätte. Heywood Broun, der mir auf der Spur war, zitierte dies mit dem Kommentar, ich sei offenbar ein sehr selbstgefälliger junger Mann, und ein paar Tage lang war mit mir ausgesprochen schlecht Kirschen essen. Ich lud ihn zum Mittagessen ein und sagte ihm in freundlichem Ton, wie schade es doch sei, dass er sein Leben habe vorüberziehen lassen, ohne etwas zustande zu bringen. Er war gerade dreißig geworden. Ungefähr zur gleichen Zeit schrieb ich auch jenen Satz, den mich manche Leute seitdem nicht mehr vergessen lassen: »Sie war eine welke, aber immer noch schöne Frau von siebenundzwanzig Jahren.«
    Benebelt erklärte ich dem Scribner Verlag, ich ginge nicht davon aus, dass von meinem Roman mehr als zwanzigtausend Exemplare verkauft würden, und als das Gelächter verebbt war, sagte man mir, fünftausend verkaufte Exemplare seien für einen Erstlingsroman hervorragend. Ich glaube, es dauerte eine Woche, bis die Zwanzigtausendmarke überschritten war, aber ich nahm mich selbst dermaßen ernst, dass ich das nicht einmal komisch fand. Benebelt schlug ich jeden Morgen die Tribune auf, um nachzusehen, ob F.P.A. noch mehr Rechtschreibfehler in meinem Buch gefunden hatte. Er begann mit einer Liste von dreißig, und Leser seiner Kolumne, die eifrig daran mitwirkten, fügten noch einhundert weitere hinzu. Du meine Güte – erwarteten sie denn von mir, dass ich die Rechtschreibung beherrschte? Wenn ich so ein Teufelskerl war, konnten das dann nicht die

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