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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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rumgehopst, wie das Florodora-Sextett noch auf der Klosterschule war. Ich war Julias Amme in der Erstaufführung von Mr. Sol Smith. Doch, doch, Omar, und im Krieg von 1812 war ich Kantinensängerin.«
    Horace’ Geist vollführte einen ebenso jähen wie erfolgreichen Sprung; er grinste.
    »Hat Ihnen Charlie Moon das eingeblasen?«
    Marcia betrachtete ihn mit undurchdringlicher Miene. »Wer is denn bitte Charlie Moon?«
    »Klein – große Nasenlöcher – große Ohren.«
    Sie schraubte sich ein paar Zentimeter in die Höhe.
    »Es is nich meine Angewohnheit, die Nasenlöcher meiner Freunde zu betrachten.«
    »Dann war’s also Charlie?«
    Marcia biss sich auf die Unterlippe – und gähnte.
    »Ach, wolln wir denn nich lieber das Thema wechseln, Omar? Ich glaub, ich poof mal ’ne Minute in dem Sessel hier.«
    »Ja«, erwiderte Horace ernsthaft, »Hume gilt nicht selten als einschläfernd.«
    »Welcher is denn nu Ihr Freund – und wird er sterben?«
    Da erhob sich Horace Tarbox plötzlich zu seiner vollen Schlaksigkeit und begann eilig, die Hände in den Hosentaschen, im Zimmer auf und ab zu gehen. Das war seine zweite Form, sich körperlich auszudrücken.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte er wie zu sich selbst, »das gefällt mir ganz und gar nicht. Nicht etwa, dass ich mich an Ihrer Gegenwart stoßen würde – keineswegs. Sie sind ja ein recht hübsches kleines Ding, aber mir missfällt, dass ausgerechnet Charlie Moon Sie hergeschickt hat. Ich bin doch kein Laborversuch, mit dem die Haushandwerker genauso wie die Chemiker ihre Experimente machen können! Ist meine intellektuelle Entwicklung etwa in irgendeiner Weise lächerlich? Sehe ich etwa so aus wie Waldo, der kleine Boston Boy aus den Comicmagazinen? Dieser Charlie Moon, dieser Milchbart mit seinem ständigen Gerede von seiner einen Woche in Paris, woher nimmt der – also woher nimmt der eigentlich das Recht –«
    »Aber nich doch«, fiel ihm Marcia kurzerhand ins Wort. »Und Sie sind ’n sehr süßer Junge. Komm’ Sie doch mal her und küssen Sie mich.«
    Horace zog geschwind die Bremse und blieb vor ihr stehen.
    »Wieso wollen Sie, dass ich Sie küsse?«, fragte er mit angespannter Neugier. »Laufen Sie denn einfach in der Gegend herum und küssen irgendwelche Leute?«
    »Na klar«, gab Marcia umstandslos zu. »Nur darum geht’s im Leben doch. Dass man rumläuft und einfach irgendwelche Leute küsst.«
    »Also, ich muss schon sagen«, erwiderte Horace kategorisch, »bei Ihnen läuft aber einiges durcheinander, das ist ja ganz entsetzlich! Erstens geht es im Leben keineswegs nur darum, und zweitens fällt es mir nicht mal im Traum ein, Sie zu küssen. Am Ende gewöhne ich mich noch daran, und wenn ich mir erst einmal etwas angewöhnt habe, dann werde ich es nicht wieder los. Dieses Jahr hab ich mir angewöhnt, morgens bis um halb acht im Bett zu bleiben.«
    Marcia nickte verständnisvoll.
    »Ham Sie eigentlich auch mal irgendwann Spaß?«, fragte sie.
    »Was meinen Sie mit Spaß?«
    »Sehn Sie mal, Omar«, sagte Marcia streng, »ich mag Sie doch, aber ich fänd’s schön, wenn Sie einfach mal so reden könnten, dass da irgendwie ’ne Linie drin ist, in dem, was Sie sagen. Sie hören sich immer so an, als ob Sie mit ’m Haufen Wörtern im Mund rumgurgeln und jedes Mal ’ne Wette verlieren, wenn Sie ’n paar davon fallen lassen. Ich hab Sie gefragt, ob Sie eigentlich auch mal Spaß ham.«
    Horace schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht später einmal«, antwortete er. »Ich bin ein Plan, verstehen Sie? Ich bin ein Experiment. Ich will nicht behaupten, dass ich das nicht hin und wieder leid wäre – das schon, durchaus. Und doch – ach, ich kann es nicht erklären! Aber das, was Sie und Charlie Moon Spaß nennen, also, für mich wäre das keiner.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    Horace guckte verdutzt, er wollte etwas sagen, besann sich aber eines Besseren und begann wieder auf und ab zu gehen. Marcia versuchte sich darüber klarzuwerden, ob er sie ansah oder nicht, was ihr jedoch nicht glücken wollte, weshalb sie ihn kurzerhand anlächelte.
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    Horace drehte sich um.
    »Wenn ich es tue, versprechen Sie mir dann, Charlie Moon zu sagen, ich sei nicht daheim gewesen?«
    »Hm-hm.«
    »Schön, also gut. Hier ist meine Geschichte: Ich war ein ›Warum‹-Kind. Ich wollte sehen, wie die Räder ineinandergreifen. Mein Vater war ein junger Ökonomieprofessor in Princeton. Sein Erziehungsprogramm bestand darin, mir jede

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