Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
Stimme: »Ach, sag –«
    Sie blieb stehen, schaute hinauf und – erkannte einen Schemen, der sich übers Geländer beugte.
    »Ach, sagen Sie!«, rief das Wunderkind noch einmal. »Können Sie mich hören?«
    »Teilnehmer wartet, Omar.«
    »Ich hoffe, Sie haben nicht den Eindruck gekriegt, dass ich Küssen prinzipiell irrational finde.«
    »Was denn für ’n Eindruck? Wie kommse denn da drauf, ich hab ja noch nichma den Kuss gekriegt! Na, nüscht für ungut – also denn.«
    Die weibliche Stimme erweckte Neugier, im Haus gingen zwei Türen auf. Von oben kam ein zaghaftes Husten als Antwort. Marcia schürzte ihre Röcke, rannte die letzte Treppe hinunter und hinaus auf die Straße, wo sie der Nebel von Connecticut sogleich verschluckte.
    Oben ging Horace mit schnellem Schritt in seiner Studierstube auf und ab. Hin und wieder warf er einen Blick auf Berkeley, der in ehrwürdig-dunkelroter Verbindlichkeit – auf seinen Polstern einladend ein aufgeschlagenes Buch – dastand und wartete. Dann aber spürte er, wie er mit jede Runde, die er absolvierte, ein Stück näher an Hume herankam. Hume hatte etwas an sich, das sonderbar und unaussprechlich anders war. Es schien, als schwebte jene schimmernde Gestalt noch in der Luft; hätte Horace sich auf ihm niedergelassen, er hätte das Gefühl gehabt, auf dem Schoß einer Frau zu sitzen. Und wenn es Horace auch nicht gegeben war, das, was den Unterschied ausmachte, in Worte zu fassen, so war der Unterschied doch da – zwar gänzlich unbegreifbar für den spekulativen Geist, und doch nichtsdestominder ganz real. Hume verströmte etwas, was er während seiner ganzen, nun schon zweihundert Jahre anhaltenden Einflussnahme noch kein einziges Mal verströmt hatte.
    Und was Hume da verströmte, das war ein Duft von Rosenöl.
    II
     
    Am Donnerstagabend saß Horace Tarbox in der fünften Reihe außen auf dem Gangplatz und sah sich Home James! an. Und zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er sich doch tatsächlich amüsierte. Die zynisch veranlagten Studenten rings um ihn herum ärgerten sich über seine lauthals kundgetane Freude an den in Ehren ergrauten Witzen Hammerstein’scher Prägung. Horace aber wartete gespannt darauf, dass Marcia Meadow ihren Song vom Blundering Blimp vortrug, diesen dem Jazz verfallenen vertrottelten Briten. Und als sie dann auf die Bühne kam und unter ihrem breitkrempigen Schlapphut mit dem üppigen Blumendekor hervorstrahlte, da wurde ihm ganz warm, und als der Song zu Ende war und der Applaus aufbrandete, fiel er nicht ein. Er fühlte sich nämlich ein bisschen benommen.
    In der Pause nach dem zweiten Akt erschien wie aus dem Nichts ein Platzanweiser an seiner Seite, wollte wissen, ob er Mr. Tarbox sei, und übergab ihm schließlich eine in jugendlich-verschnörkelter Handschrift geschriebene Nachricht. Und während der Platzanweiser geduldig im Gang wartete, las Horace einigermaßen verwirrt, was da stand.
Lieber Omar,
nach der Vorstellung krieg ich immer ganz doll Hunger. Wenn Sie mir dabei behilflich sein wollen, den im Taft Grill zu stillen, teilen Sie Ihre Antwort einfach dem ollen Holzkopp mit, der Ihnen das hier überbringt, und tun Sie’s.
Ihre Freundin,
Marcia Meadow
    »Sagen Sie ihr« – er hustete –, »sagen Sie ihr, das geht in Ordnung. Ich erwarte sie draußen vor dem Theater.«
    Der Holzkopp grinste arrogant. »Ich glaub, die meint, Sie sollen hinner komm’ zun Bühneneingang.«
    »Wo – wo ist der denn?«
    »Hia raus. Örsma linksromm un dönn dem Dorschgang runner.«
    »Was?«
    »Hia raus. Örsma linksromm un dönn dem Dorschgang runner!«
    Der arrogante Kerl trollte sich. Hinter sich hörte Horace einen Kommilitonen aus dem ersten Semester kichern.
    Und als er dann, eine halbe Stunde später, im Taft Grill saß, vor sich das von Natur aus strohblonde Haar, da gab der Wunderknabe etwas Komisches von sich.
    »Müssen Sie eigentlich diesen Tanz im letzten Akt tanzen?«, fragte er sie in vollem Ernst. »Ich meine, gesetzt den Fall, Sie würden sich weigern, würden Sie dann entlassen werden?«
    Marcia griente.
    »Aber der macht mir doch Spaß. Den tanz ich richtig gerne.«
    Da unterlief Horace ein Fauxpas.
    »Ich hätte eigentlich gedacht, Sie finden ihn abscheulich«, versetzte er brüsk. »Die Leute hinter mir haben Bemerkungen über Ihren Busen gemacht.«
    Marcia wurde feuerrot.
    »Da kann ich doch nüscht dafür«, sagte sie rasch. »Für mich is dieser Tanz nix weiter wie ’ne akrobatische Einlage. Herrgott noch mal,

Weitere Kostenlose Bücher