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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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auch, das ist die beste Methode?«
    Obgleich Draycott Deyo sich gerade mit schwierigen, die Immersionstaufe betreffenden Fragen herumquälte und hier eventuell einen Zusammenhang hätte entdecken können, müssen wir zugeben, dass dem nicht so war. Er betrachtete weibliches Baden als unsittlichen Gesprächsgegenstand und ließ Bernice an einigen seiner Gedanken zur Verkommenheit der modernen Gesellschaft teilhaben.
    Doch zum Ausgleich dieses unseligen Zwischenfalls verzeichnete Bernice auf der Habenseite ein paar beachtliche Erfolge. Der kleine Otis Ormonde verzichtete auf eine Reise an die Ostküste und beschloss stattdessen, sich mit welpenhafter Ergebenheit an ihre Fersen zu heften, zum Amüsement seiner Freunde und zur Verärgerung G. Reece Stoddards, dessen nachmittägliche Aufwartungen durch die widerlich zärtlichen Blicke, die Otis auf Bernice richtete, mehrmals vollkommen verdorben wurden. Ja, zum Beweis, wie entsetzlich er und alle anderen sich in ihrem ersten Urteil über sie getäuscht hatten, erzählte er ihr sogar die Geschichte mit dem Holzscheit und der Damengarderobe. Bernice tat den Vorfall mit einem Lachen ab, obwohl es ihr einen kleinen Stich versetzte.
    Von allem, was Bernice an Konversationskunst aufbot, war der bekannteste und mit dem größten Beifall aufgenommene Spruch der, dass sie sich einen Bubikopf schneiden lassen würde.
    »Ach, Bernice, wann lassen Sie sich endlich einen Bubikopf schneiden?«
    »Übermorgen vielleicht«, antwortete sie lachend. »Kommen Sie und schauen es sich an? Ich zähle nämlich auf Sie, müssen Sie wissen.«
    »Ob wir kommen? Und ob! Aber beeilen Sie sich lieber.«
    Bernice, deren Tonsurabsichten vollkommen unaufrichtig waren, lachte erneut.
    »Es ist bald so weit. Sie werden staunen.«
    Doch das bedeutsamste Zeichen ihres Erfolgs war womöglich der graue Wagen des über die Maßen kritischen Warren McIntyre, der täglich vor dem Harvey’schen Haus parkte. Zuerst war das Dienstmädchen richtig erschrocken, als er nach Bernice fragte und nicht nach Marjorie; nachdem das eine Woche so gegangen war, erzählte sie der Köchin, Miss Bernice hätte sich doch Miss Marjories besten Fisch geangelt.
    Und das hatte Miss Bernice. Vielleicht fing es damit an, dass Warren Marjories Eifersucht wecken wollte; vielleicht war es Marjories vertrauter, wenn auch von ihm nicht erkannter Zungenschlag in Bernice’ Konversationskunst; vielleicht war es beides und ein Quentchen ernsthaftes Interesse dazu. In jedem Fall hatte das kollektive Bewusstsein der jungen Leute innerhalb einer Woche bemerkt, dass Marjories treuester Verehrer eine erstaunliche Kehrtwendung vollzogen hatte und ohne jeden Zweifel Marjories Gast umwarb. Die brennende Frage war, wie Marjorie das aufnehmen würde. Warren rief Bernice zweimal am Tag an, er schickte ihr Nachrichten, und häufig sah man sie zusammen in seinem Roadster sitzen, augenscheinlich in eines jener intensiven, bedeutungsvollen Gespräche darüber vertieft, ob er es ernst meine oder nicht.
    Marjorie lachte nur, wenn man sie damit aufzog. Sie sagte, sie freue sich riesig, dass Warren endlich jemanden gefunden habe, der ihn schätze. Daraufhin stimmten die jungen Leute in ihr Lachen ein, nahmen an, dass es Marjorie nicht weiter kümmere, und ließen es dabei bewenden.
    Eines Nachmittags – drei Tage vor ihrer Abreise –, wartete Bernice in der Diele auf Warren, mit dem sie zu einer Bridgeparty eingeladen war. Sie fühlte sich großartig, und als Marjorie, die zu derselben Party wollte, neben ihr auftauchte und beiläufig vor dem Spiegel ihren Hut zurechtzurücken begann, war Bernice auf so etwas wie einen Streit nicht im Allergeringsten vorbereitet. Marjorie erledigte die Arbeit sehr kalt und rasch mit drei Sätzen.
    »Du kannst dir Warren aus dem Kopf schlagen«, sagte sie knapp.
    »Was?« Bernice war vollkommen verblüfft.
    »Hör lieber auf, dich wegen Warren McIntyre lächerlich zu machen. Du bist ihm vollkommen schnuppe.«
    Einen angespannten Augenblick lang schauten sie einander an – Marjorie trotzig und arrogant, Bernice verblüfft und halb ärgerlich, halb ängstlich. Dann fuhren zwei Wagen vor dem Haus vor, und wildes Hupen ertönte. Die beiden Mädchen keuchten leise, wandten sich um und eilten Seite an Seite hinaus.
    Die ganze Bridgeparty hindurch bemühte Bernice sich vergebens, ihr wachsendes Unbehagen zu unterdrücken. Sie hatte Marjorie beleidigt, die Sphinx der Sphinxe. Mit den besten und arglosesten Absichten der Welt hatte

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