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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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heroischen Augenblicken, wenn ich da draußen stand, vor all den Leuten, und ihnen zeigen konnte, dass ich mehr bin als bloß ein herumzappelnder, kreischender Clown.«
    Vom Vordersteven her war plötzlich leises Singen zu vernehmen. Die Schwarzen hatten sich an Deck versammelt, und ihre Stimmen verschmolzen zu einer eindringlichen, in herzzerreißenden Akkorden mondwärts brandenden Melodie. Ardita lauschte ganz verzückt.
»Oh down –
Oh down,
Mammy wanna take me down a milky way,
Oh down –
Oh down,
Pappy say to-morra-a-a-ah!
But mammy say to-day,
Yes – mammy say to-day!«
    Carlyle seufzte und schwieg einen Moment; er schaute hinauf zum warmen Himmel, wo in dichtgedrängter Schar die Sterne funkelten wie lauter kleine Soffitten. Der Gesang der Neger war in ein wehmütiges Summen übergegangen, und es kam ihm vor, als nähmen die Helle und die große Stille von Minute zu Minute zu, bis er fast schon meinte, die Meerjungfrauen bei ihrer mitternächtlichen Toilette zu belauschen und zuzuhören, wie sie sich die Silbertropfen aus den Locken kämmten und einander dabei aufgekratzt von ihren schönen Wracks erzählten, in denen sie hausten, da unten auf dem Meeresgrund, in den grün schillernden Alleen.
    »Sehen Sie«, sagte Carlyle leise, »das ist die Schönheit, die ich will. Schönheit muss erstaunlich sein, verblüffend – sie muss dich packen wie ein Traum, wie die wundervollen Augen eines Mädchens.«
    Er drehte sich zu ihr herum, doch sie war still.
    »Nicht wahr, Sie können das verstehen, Anita – ich meine, Ardita?«
    Auch diesmal gab sie keine Antwort. Sie hatte eine Weile tief und fest geschlafen.
    IV
     
    In der prallen, gleißenden Mittagssonne des folgenden Tages erwies ein rätselhaftes Etwas vor ihnen auf dem Meer sich wie von ungefähr als kleine, grünlich graue Insel, die an ihrem nördlichen Ende aus einem großen granitenen Riff zu bestehen schien, welches nach Süden hin, quer durch einen etwa eine Meile breiten Streifen von sattgrün leuchtenden Sträuchern und Gräsern, abfiel, hin zu einem Sandstrand, der sachte in die Brandung überging. Ardita, die lesend auf ihrem Lieblingssofa saß, hatte soeben die letzte Seite von Aufruhr der Engel hinter sich gebracht; sie schlug das Buch zu und blickte auf und sah das Inselchen, und da stieß sie einen Freudenschrei aus und rief nach Carlyle, der trübsinnig an der Reling stand.
    »Ist es das da? Ist das der Ort, wo Sie hinwollten?«
    Carlyle zuckte gleichgültig die Achseln.
    »Sie haben mich ertappt.« Er hob die Stimme und rief nach dem Burschen, der den Skipper spielte: »Ach, sag mal, Babe, ist das da deine Insel?«
    Der Mulatte steckte seinen winzigen Kopf hinterm Ruderhaus hervor.
    »Jassah! Die da issis, oh jah!«
    Carlyle setzte sich zu Ardita aufs Sofa.
    »Sieht doch ganz anständig aus, nicht wahr?«
    »Ja, das schon«, stimmte sie ihm zu, »als Versteck find ich sie allerdings ein bisschen klein.«
    »Sie hoffen wohl immer noch auf die Funksprüche, die Ihr Onkel kreuz und quer über den Ozean loslassen wollte?«
    »Nein«, erwiderte Ardita freiheraus. »Ich bin ganz auf Ihrer Seite. Ich tät mich wirklich freuen, wenn Sie’s schaffen und davonkommen.«
    Er lachte.
    »Sie sind unsere Glücksfee. Ich schätze, wir müssen Sie bei uns behalten, als Maskottchen – jedenfalls fürs Erste.«
    »Sie können mich ja nicht gut bitten zurückzuschwimmen«, sagte sie kühl. »Und wenn Sie’s dennoch tun, dann fang ich an, basierend auf Ihrer nicht enden wollenden Lebensgeschichte, die Sie mir gestern erzählt haben, Groschenromane zu schreiben.«
    Er wurde rot und zuckte leicht zusammen.
    »Tut mir wirklich leid, dass ich Sie gelangweilt habe.«
    »Aber nicht doch, Sie haben mich nicht gelangweilt – höchstens ganz zum Schluss, wo’s darum ging, dass Sie wütend waren, weil Sie nicht mit den feinen Damen tanzen durften, für die Sie Ihre Musik gespielt haben.«
    Ärgerlich stand er auf.
    »Sie sind ein widerliches kleines Schandmaul.«
    »Oh, Verzeihung«, sagte sie und ließ die Worte in ein Lachen überfließen, »ich bin es nicht gewohnt, mich von Männern mit Geschichten über ihre Lebensziele ergötzen zu lassen, zumal, wenn dieses Leben so todplatonisch ist.«
    »Ach ja? Und womit ergötzen die Männer Sie sonst so?«
    »Ach, na ja, die reden halt von mir«, sagte sie gähnend. »Die sagen mir, ich sei der Inbegriff der Jugend und der Schönheit.«
    »Und was sagen Sie dann?«
    »Nun ja, ich stimme ihnen wortlos zu.«
    »Sagt Ihnen

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