Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
in diese verfluchte Welt gekommen bin. Von diesem Moment an ging einfach alles schief. Angefangen damit, dass ich die wichtigste Person in meinem Leben verliere, bis hin zu der Geschichte, dass ich Teil einer Prophezeiung sein soll, die diese Welt von ihrem Leiden erlösen wird. Das sind nicht unbedingt geringe Erwartungen, die eine ganze Bevölkerung da in mich setzt, und dabei weiß ich ja noch nicht einmal, ob ich meine eigenen Erwartungen erfüllen kann. Manchmal wünschte ich mir einfach, dass ich niemals in diese Welt gekommen wäre. Ich habe als Mensch gelebt und hätte auch als Mensch sterben können. Auf der Erde hätte ich alt werden können und mein Vater auch. Dort wäre es uns besser ergangen als hier.“
Keylam sah sie traurig an. Er spürte ihre Verzweiflung und fühlte sich hilflos. „Bei den Menschen warst du schon lange nicht mehr in Sicherheit“, flüsterte er ihr zu. „Seit du geboren wurdest, haben sie dich überall gesucht – Elfen, Zwerge, Gnome und sogar Nyriden. Sie haben dich und jene, die an dich glaubten, gejagt. Die Zahl der Opfer ist erschütternd. Sie interpretierten die Prophezeiung so, dass nur dein Tod Erlösung bringen werde. Lange hat es gedauert, bis sie bemerkt haben, dass sie dich in dieser Welt nicht finden werden. Melchior wusste das und nur deshalb ließ er dich bei den Menschen aufwachsen und verbrachte so viel Zeit wie möglich hier – er wollte sie auf eine falsche Fährte locken.
Damals hielten es viele von uns für das Beste, wenn er dich nicht so oft aufgesucht hätte. Wir dachten, dass uns das Zeit verschafft hätte. So hättest du noch länger dort leben können und wir hätten dich besser vorbereiten können, doch das kam für ihn nie infrage. Sein Wunsch nach einer Tochter war einfach zu groß. Er hatte so lange dafür gekämpft, sich dieses eine Mal einen eigenen Traum zu erfüllen. Sonst hat er immer nur alles für andere getan. Niemand konnte ihn daran hindern, dein Vater zu sein. Immer hat er nur von dir gesprochen.“
„Du hast ihn gekannt?“, fragte Arrow verwundert.
Keylam nickte. „Er war mein bester Freund und ich weiß nicht, wo ich heute ohne ihn wäre.“
„Aber warum erzählst du mir das erst jetzt?“
„Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte.“
Arrow schwieg. Vieles, auf das sie lange keine Antwort gewusst hatte, wurde ihr jetzt klar. Keylam konnte sie gar nicht lieben, jedenfalls nicht auf die gleiche Weise, auf die sie ihn liebte. Deshalb hielt er sie auf Abstand. Er war gar nicht derjenige, der sie bei der Spottjagd geküsst hatte, sondern nur ein Freund ihres Vaters, der in seiner Schuld stand und dessen Tochter er beschützen wollte.
„In der Menschenwelt“, fuhr er fort, „hatten sie bereits nach dir gesucht. Es war schon gefährlich, ein letztes Abschiedsessen für dich und deine Freunde abzuwarten. Melchior brachte dich praktisch in letzter Sekunde dort weg. Dewayne und Anne hatten in dieser Nacht alle Hände voll zu tun, um eure Verfolger abzulenken. Du warst nie dazu gedacht, ewig dort zu leben.“
„Und warum seid ihr euch so sicher, dass ich das Mädchen aus dieser Prophezeiung bin?“, fragte Arrow verzweifelt. „Es kann auch jede andere nach mir sein.“
„Arrow“, sagte Keylam ernst, „es gibt keine nach dir. Und es gibt auch keine vor dir. Alle, die du kennst, sind mindestens eintausend Jahre älter als du.“
„Was?“, fragte sie zitternd. „Aber wie kann das sein?“
Keylam senkte den Blick. „Wir wissen es nicht. Es ist Melchiors Geheimnis und er hat es mit niemandem geteilt. Tatsache ist, dass seit der Teilung keine Kinder mehr geboren werden und dass du ... ein Wunder bist.“
Lange konnte Arrow an diesem Abend nicht einschlafen. Durch den Eingang, dessen Tunnel sie zur Drachenhöhle geführt hatte, hörte man die Wilde Jagd toben. Noch immer machten ihr diese Geräusche Angst. Man konnte sich nicht daran gewöhnen, so oft man es auch schon erlebt hatte.
Arrow fragte sich, wie lange es wohl noch so weitergehen würde. Offenbarte Geheimnisse führten immer nur zu weiteren Geheimnissen und Fragen, auf die niemand Antworten wusste.
Während Arrow doch der Müdigkeit erlag und die Bilder vor ihren Augen verschwammen, erblickte sie im Schein des Feuers die Elfe, wie sie sich sehnsüchtig zu dem Drachen schlich und weinend an ihn schmiegte. Ardor stieß ein friedliches Brummen aus. Offenbar genoss er Neves Gesellschaft.
Arrow hätte ihnen gern noch länger zugeschaut. Die beiden sahen so
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