Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
leben ist sehr ungewöhnlich und sorgt überall für Gespräche. Mich wundert es allerdings sehr, dass du erst ein schönes Kleid überziehen musst, um das zu bemerken.“
An der Stelle, an der ihr Vater gelacht hatte, waren Arrow tausend Gründe eingefallen, um sich noch einmal umzuziehen. Nachdem er jedoch zu Ende gesprochen hatte, waren alle Ausreden verschwunden. An keine einzige erinnerte sich Arrow mehr, denn in gewisser Weise hatte Melchior Recht.
Natürlich beobachteten die Leute mit Spannung die Entwicklung eines jeden jungen Menschen. Sie selbst hatte es nie anders gemacht. Wie oft hatte sie bei ihren Hausbesuchen schon festgestellt, dass die kleine Jenny Jones so groß geworden war? Und wie sehr hatte Arrow die Tatsache nicht mehr losgelassen, dass der junge Thomas Meyer wegen seiner außergewöhnlichen Begabung Privatunterricht nehmen musste, da der Schulunterricht ihn nicht ausreichend forderte? War es da denn tatsächlich noch verwunderlich, dass die Leute über ein kleines Mädchen sprachen, das inzwischen zur Teenagerin geworden war, aus dem besten Hause der gesamten Gegend stammte und eine Vorliebe für Hosen hatte?
Mit einem verlegenen Lächeln gestand Arrow sich ein, dass es für Bedenken, wie sie ihr gerade durch den Kopf schwirrten, eindeutig zu spät war.
Melchior bemerkte, wie die Anspannung von seiner Tochter abfiel und sie sich geschlagen gab. Stolz bot er ihr seinen Arm an. „Wollen wir uns dann jetzt der Meute stellen?“, fragte er scherzhaft.
„Es wäre mir eine große Freude“, erwiderte sie erleichtert und nahm den Arm ihres Vaters an.
„Eins noch“, hielt Melchior sie zurück. „Es kommt niemals darauf an, was andere von dir erwarten. Einzig und allein deine eigenen Erwartungen sind es, die zählen. Alles andere hält dich nur von deinem Weg ab.“
Es waren sehr ernste Worte, die er an seine Tochter richtete, und sie waren aufrichtig – Worte, die ihr wieder einmal vor Augen führten, warum sie ihren Vater so sehr liebte.
Glücklich gab Arrow ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke, Dad“, flüsterte sie.
Alles kam, wie es Arrow sich vorgestellt hatte. Die Gäste bestaunten sie, überhäuften sie mit Komplimenten und tauschten sich gegenseitig über die niedlichen kleinen Haarspangen und das umwerfend schöne Kleid aus. Natürlich redeten sie auch über andere Dinge und andere Gäste. Anne jedoch erntete für ihr Werk ordentlich Bewunderung und sorgte voller Stolz dafür, dass ihr Schützling im Gespräch blieb. Und Arrow konnte es ihr nicht übel nehmen, so sehr sie es auch wollte, denn Anne hatte immer nur das Beste für sie gewollt und das Großartigste für sie bekommen. Zwar teilten sie in einigen Dingen nicht die gleiche Meinung, doch das betraf lediglich Modefragen und beeinträchtigte Arrows Entwicklung in keiner Weise. Was das Wesen anging, ähnelten sich die beiden Frauen nur zu sehr und vor allem den Dickkopf, den Arrow sich von Anne abgeschaut hatte, empfand sie immer wieder als großen Vorteil.
Das Haus war wunderschön geschmückt. Alles war in den klassischen Weihnachtsfarben dekoriert – grün für den Baum und die Girlanden, rot für das Fest der Liebe und gold, weil es einfach das schönste Ereignis des Jahres war. Alles war perfekt, nur eines fehlte noch – oder vielmehr vier fehlten.
Ein kühler Luftzug an ihrem Arm verriet Arrow, dass sich die Tür öffnete, um die letzten erwarteten Gäste einzulassen. Und da waren sie auch schon – alle vier. Auch Robert war erschienen, hatte also offenbar keinen Hausarrest bekommen.
Hübsch waren sie alle zurechtgemacht, doch bei Lizzy und Adam war das nichts Ungewöhnliches. Die haselnussfarbenen Locken der beiden waren ohnehin in jeder Situation ein besonderer Blickfang. Und mit ihren großen rehbraunen Augen konnte man ihnen auch nie sehr lange böse sein – zumal sie einem dazu ausgesprochen selten Anlass gaben. Außerdem liebte es ihre Mutter, sie beide so oft wie möglich herauszuputzen. Adam wirkte dabei stets etwas zerbrechlich. Er besaß nicht unbedingt großes Selbstvertrauen und hielt sich lieber im Hintergrund, während seine Schwester immer genau wusste, was sie wollte, aber dennoch stets Haltung bewahrte. Sie war wohl das einzige Mädchen ihrer Jahrgangsstufe, das nicht für Robert schwärmte. Allerdings hätte es Arrow auch sehr verwundert, wenn dem so gewesen wäre, denn die zwei glichen einander wie Feuer und Wasser. Robert hatte seit jeher immer nur Flausen im Kopf. Sobald auf der
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