Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
schreckte auf. Da, in ihrem Augenwinkel hatte sich etwas bewegt. Wie ein Schatten war es über das Eis geflogen. Doch jetzt war es verschwunden.
Als Arrow ihren Weg fortsetzen wollte, folgte der nächste Schreck. Zu ihrer linken stand eine steinerne Statue, die todsicher vorher nicht dort gewesen war. Sie wirkte äußerst bedrohlich und besaß in etwa Arrows Größe. Insgesamt sah sie beinah aus wie eine überaus kräftige Kreuzung zwischen einem Schwein und einer Fledermaus mit gewaltigen Schwingen und einem langen stacheligen Schwanz. Ihre Klauen wirkten angsteinflößend.
Arrow wandte sich von der Statue ab und lief los. Sie rannte immer weiter und weiter. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass ähnliche Statuen wie die zuvor zu hunderten über die Eisblöcke verteilt waren. Irgendwie kamen ihr diese hässlichen Biester sehr bekannt vor, doch ihr wollte nicht einfallen, wo sie diese Dinger schon einmal gesehen hatte.
Als Arrow das Eis hinter sich gelassen hatte, hielt sie inne. Sie brauchte eine Pause, um zu verschnaufen. Bei der Flucht hatte sie sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Kräfte aufwenden müssen.
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie zurücksah.
„Du bist auf dem richtigen Weg“, holte Annes Stimme sie an Ort und Stelle zurück.
Arrow fasste sich an die Brust und wankte zurück. „Bist du verrückt geworden?!“, fragte sie aufgeregt. „Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt. Wenn ich das hier zu Ende bringen soll, musst du damit aufhören, sonst bekomme ich noch einen Herzinfarkt.“
„Wenn du diese Richtung hältst, wirst du den Wald schon sehr bald erreichen“, sagte Anne, ohne auf Arrows Worte einzugehen. „Ich werde dich leider nicht mehr weiter begleiten können. Der Zutritt zu Perchtas Reich ist mir nicht gestattet.“
Arrow verzog das Gesicht. „Dann muss ich also doch allein da durch?“
„Mein Kind“, erwiderte Anne mit sanfter Stimme, „ich bin zuversichtlich. Du wirst dein Ziel erreichen und die Aufgaben bewältigen, die dir gestellt werden. Doch bei allem, was du tust, darfst du eines nie vergessen. Der Kampf, den wir in unserem Innern gegen unser eigenes Selbst ausfechten, ist er schwerste in unserem Leben. Am Ende zählt doch nur die Entscheidung, die wir treffen und dass wir uns dabei nicht selbst verlieren.“
„Mach dir keine Sorgen“, erwiderte Arrow. „Ich werde nicht versagen. Heute Nacht wird Perchta büßen für alles, was sie und ihre Wilde Jagd uns allen angetan hat. Noch bevor am Morgen die Sonne aufgeht, wird Frau Perchta Geschichte sein.“
Entsetzt packte Anne Arrow am Arm. „Du wirst ihr nichts zuleide tun!“, ermahnte Anne sie streng. Erschrocken musterte Arrow die alte Frau.
„Perchta ist nicht der Auslöser für dieses Leid. Auf keinen Fall darfst du sie strafen für ein Vergehen, das sie nicht begangen hat. Du darfst noch nicht einmal darüber nachdenken!“
Annes Griff wurde immer fester. Hilflos versuchte Arrow, sich ihr zu entreißen, doch die alte Frau vermochte es wahrlich, übermächtige Kräfte aufzubringen.
„Konzentriere dich auf das Wesentliche, Arrow! Du wirst es nicht besser machen, indem du deine Wut an Frau Perchta auslässt! Einst, als die Nyriden kurz davor standen, diese Welt zu vernichten, war Perchta die Einzige, die sie vor der Zerstörung ihrer Rasse bewahrt hat. Niemand anders war bereit, den Nyriden Asyl zu gewähren, bis eine Möglichkeit der Bereinigung gefunden werden konnte.
Die Rolle, die Perchta in dieser Welt zu spielen hat, hätte sie für sich selbst nie gewählt. Wie die meisten ist sie nur das Opfer ihres eigenen Schicksals. Einer muss immer für Recht und Ordnung sorgen und wer würde diese Aufgabe schon freiwillig übernehmen?
Perchtas Reich mag nicht der ideale Zufluchtsort für dein Volk gewesen sein, Arrow, aber immerhin war es der einzige. Ihr allein hast du zu verdanken, dass du hier heute stehst!“
Anne war sichtlich aufgebracht und Arrow wunderte sich mit jedem ihrer Worte mehr. Schon immer hatte sie gewusst, dass Anne eine überaus hohe Meinung von Perchta gehabt hatte, doch zum ersten Mal verstand sie, dass die alte Frau sich dieses Bild nicht aus Angst, sondern allein aus Respekt, Verständnis und Mitgefühl gemacht hatte.
Ein kalter Schauer lief Arrow über den Rücken. So leidenschaftlich hatte sie Anne noch nie erlebt. Diese Frau, die sie einst großgezogen hatte, war eben doch so viel mehr als nur ein Kindermädchen. Arrow vergaß das nur allzu oft und die
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