Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
donnernden Galopp davon.
Die Entscheidung war gefallen. Jetzt musste Arrow den Wald betreten, und bevor sie auch nur noch eine Sekunde zweifeln konnte, hatte sie auch schon mit einem Schritt die Grenze überschritten.
Ängstlich sah Arrow sich um. Von hier aus gesehen sah der Holunderwald gleich ganz anders aus: noch düsterer und trostloser.
Holunderbüsche waren nicht das einzige Gewächs, aus dem der Wald bestand. Zwischen all dem Gestrüpp gab es auch Bäume – vor allem Birken, wie Arrow an den weißen Stämmen erkennen konnte. Die meisten anderen Bäume konnte sie allerdings nicht bestimmen. Das war schon im Naturkundeunterricht immer eine große Schwäche von ihr gewesen. Eines allerdings wusste sie genau, auch ohne ein Wissensgenie zu sein – in keinem einzigen der hier befindlichen Gewächse glomm auch noch der geringste Lebensfunke. Die Bäume und Gräser waren alle tot.
„Nett hier“, versuchte Arrow ihre Anspannung aufzulockern.
„Hast du etwas gesagt?“, wurde sie von der Seite angefaucht.
Bei dem Anblick des Wesens, das da mit ihr sprach, wollte sie eigentlich schreien, doch die Töne blieben ihr regelrecht im Halse stecken.
Das Ding war unförmig dick. Lange Brüste hingen ihm bis auf den Boden und auch die Arme waren von einer Länge, dass die Hände beim gehen hinterher schleiften. Es war am ganzen Körper mit Warzen bedeckt. Seine dunkle Haut schimmerte schleimig im blassen Schein des Mondes und in der Front fehlten ihm oder ihr bereits eine ganze Reihe Zähne.
Gerade, als Arrow sich einige Worte überlegte, um diese Kreatur wieder milde zu stimmen, erinnerte sie sich an Annes Anweisung – sprich mit niemandem!
Allen Mut musste sie zusammennehmen, als sie wortlos weiterging. Dabei tobte ihr Herz wie ein Vulkan.
„Hey, du dummes Ding!“, hörte sie die Kreatur rufen. „So wie du aussiehst, könntest du an einem Hässlichkeitswettbewerb teilnehmen!“
Na das kommt ja aus der richtigen Ecke, dachte sich Arrow. Angespannt ging sie weiter. Innerlich wartete sie darauf, dass das hässliche Ding sie angriff oder zumindest seine noch hässlicheren Freunde holte, um sie anzugreifen, doch nichts geschah.
Das Medaillon an ihrer Kette begann, stark zu leuchten. Es stimmte also – ihr Vater konnte nicht mehr sehr weit sein. Isidor spürte das.
Entschlossen setzte sie ihren Weg fort. Allerdings trübte jeder Blick nach rechts und links den neu gewonnenen Tatendrang. Arrow erschauerte. Es war wirklich abartig, was sich alles zwischen den Zweigen der toten Bäume tummelte, doch all diese Dinger nahmen zum Glück kaum Notiz von ihr. Sie fragte sich, woran das wohl liegen konnte. Bemerkte denn niemand, dass sie so viel anders war, dass sie nicht an diesen Ort gehörte? Aber vermutlich war dies nur die Ruhe vor dem Sturm.
Auf einem umgefallenen Baumstamm sitzend erblickte Arrow eine dürre Frau, deren knochige lange Finger einen Strohhalm hielten, dessen Ende in das Ohr eines halbwegs weggetretenen, fetten Kobolds mündete. Seine Kleidung war völlig zerfetzt und seine Haut mit Schrammen übersät.
Gelangweilt nuckelte die Frau an dem Strohhalm.
Offensichtlich hatte dieser Bursche ein Freifahrtticket für die Wilde Jagd gewonnen, was ihm gleichzeitig eine wenig erfreuliche Aufgabe eingebracht hatte. Aber immerhin – die dürre Frau konnte ein bisschen was auf den Rippen vertragen.
Angewidert ging Arrow weiter, wobei sie mit aller Kraft versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen.
Auf ihrem Weg begegnete ihr ein Leichenzug. Sechs blasse Männer trugen einen schmucklosen, hölzernen Sarg durch den Wald. Obwohl darin pausenlos jemand panisch gegen die Wände hämmerte, setzten die Träger ihren Weg unbeeindruckt fort.
Es kostete Arrow große Überwindung, ihnen nicht hinterherzulaufen und den Sarg aufzustoßen, doch sie musste an Annes ermahnende Worte denken – sprich mit niemandem und schaue nicht zurück.
Fest presste Arrow ihre Hände gegen die Ohren und kniff die Augen zusammen. Sie wollte die verzweifelten Schreie aus dem Sarg nicht länger hören. Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, benötigte sie unbedingt einen klaren Kopf. Am ganzen Körper zitternd ging sie weiter.
Nachdem eine ganze Weile nichts Seltsames geschehen war, nahm Arrow in der Ferne plötzlich traurige Gesänge wahr. Neugierig folgte sie ihnen. In den unteren Ästen eines Baumes sitzend, sang ein kleiner Junger Lieder über den Tod. Seine Haut war ganz bleich und die dunklen Augen lugten müde aus den
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