Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
irgendwo irgendwen getroffen, der sensibler, einfühlsamer und verständnisvoller war als Adam. Natürlich gehörte all das nicht zu den Eigenschaften, zu denen man einen Jungen erzog, aber er war eben, wie er war, und das machte ihn zu etwas ganz bBesonderem. Sogar seine Mutter hatte ihn immer für diese Andersartigkeit geliebt. Die meisten anderen Menschen hatten für solch ein Verhalten nur Spott über – natürlich nur, weil es sich dabei um einen Jungen handelte. Seine Mutter aber hatte Adam stets geliebt.
Mit einem schönen Buch, das Arrow im Gepäck eines Wanderers gefunden hatte, machte sie es sich auf dem Baum bequem. Schön war das Gefühl des sanften Windes auf der Haut und das Rascheln der Blätter in den Bäumen.
Nur spät erkannte Arrow, dass sich jemand näherte. Es war eine Frau, deren Rock hin und her wehte. Sie sah etwas älter aus und guckte sehr grimmig. In ihren Haaren ließen sich bereits die ersten grauen Strähnchen erkennen. Mit der einen Hand versuchte sie, ihren Rock zu bändigen, und in der anderen Hand hielt sie ein Kruzifix vor sich gestreckt.
Verwundert betrachtete Arrow die Dame, die in sicherer Entfernung auf dem Feld stehen blieb und sie anstarrte.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Arrow stirnrunzelnd.
Die Frau wirkte sehr angespannt. Aus der Nähe betrachtet fiel auf, dass sie noch gar nicht so alt war, wie es auf den ersten Blick schien. Unangenehme Lebensumstände hatten sie jedoch offenbar vor ihrer Zeit altern lassen.
„Woher kennst du meinen Namen, Hexe?“ Hass lag in diesen Worten. Hass und Verachtung. Es ließ Arrow einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. So etwas war ihr in ihrem ganzen Leben noch nicht passiert, dass jemand sie so eiskalt ansprach.
„Entschuldigung … Ich verstehe nicht ...“
„Letzte Woche hast du meine Kinder angesprochen. Du wusstest Dinge über mich. Meine kleine Hellen kann sich gar nicht mehr beruhigen. Sie spricht über nichts Anderes mehr. Sie will nur noch zu dir. Wir mussten sie unter Arrest stellen. Du hast sie verhext!“
Erschrocken ließ Arrow ihr Buch fallen. „Lizzy?“, fragte sie entgeistert.
„Ich will, dass du dich aus meinem Leben fernhältst, und halte dich vor allem von meinen Kindern fern! Niemand im Dorf spricht noch mit mir. Sie sagen, du hättest einen Fluch auf uns gelegt!“
Lizzys Körper bebte vor Verbitterung. Offensichtlich hatte es sie sehr viel Überwindung gekostet, Arrow gegenüberzutreten, und sie hatte Angst.
„Aber Lizzy, ich bin es doch – Arrow. Weißt du nicht mehr? Früher waren wir doch die besten Freunde – zusammen mit Linda, Robert und … Adam.“
„Hör auf damit! Ich will das alles nicht hören. Ich will nur, dass du mich in Ruhe lässt. Meine Familie hat weiß Gott genug ertragen müssen! Lass uns einfach nur in Ruhe!“
„Aber Lizzy, du kennst mich doch! Du weißt doch genau, dass ich dir oder deiner Familie nie etwas Böses tun würde.“
„Lügen – alles Lügen. Das Schlimmste hast du längst getan, indem du über mich gesprochen hast. Alles hast du damit kaputt gemacht. Lass uns einfach in Ruhe!“
Lizzy wandte sich ab, um zu gehen.
„Was ist mit Adam geschehen?“, rief Arrow ihr hilflos hinterher.
Lizzy hielt inne. Für einen Moment – so viel war zu sehen – war sie gewillt, ihren Weg fortzusetzen, doch dann drehte sie sich langsam wieder um. „Adam ist tot“, sagte sie verbittert.
Arrows Augen verengten sich. „Hellen erzählte bereits, dass du das sagen würdest, aber sie erwähnte auch, dass das eine Lüge ist.“
Lizzy lachte auf. „Na gut. Wenn du so willst. Dann ist er eben nicht tot – für dich.“
Arrow spürte langsam Zorn in sich aufsteigen. War das wirklich die Lizzy, die mit ihr zusammen aufgewachsen war? Dieselbe Lizzy, die immer so bedacht auf Manieren und ihr Äußeres war? Könnte es sich nicht auch um eine Verwechslung handeln?
„Für Hellen ist er auch nicht tot“, erwiderte Arrow barsch.
Lizzy senkte den Blick. Für einen Moment sah es aus, als würde eine Träne in ihren Augen aufblitzen, doch dann fing sie sich wieder.
„Lizzy, bitte – was ist mit Adam? Ich werde keinen Frieden finden, ehe ich nicht weiß, was er getan hat.“
„Du willst wissen, was mit Adam ist? Na schön – ich werde es dir erzählen. Aber zuerst musst du mir versprechen, dass du mich ab dann in Ruhe lässt. Du wirst weder über mich, noch über meine Kinder jemals wieder ein Wort verlieren und Hellen wirst du nicht mehr ansprechen –
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