Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
verstanden?“
Arrow hatte Hellen ja gar nicht angesprochen, sondern Hellen Arrow. Sollte es je wieder zu einem Treffen kommen, könnte sie Lizzy jetzt ein Versprechen geben, das ein Hintertürchen offen ließe.
„Versprochen – ich werde Hellen unter keinen Umständen ansprechen.“ Wie seltsam, dachte Arrow bei sich, denn offensichtlich sprach und dachte sie schon genauso listig wie ein richtiger Naturgeist. Innerlich musste sie kichern.
„Nun“, begann Lizzy, „mein Bru … Adam weiß offensichtlich nicht sehr viel mehr mit einer Frau anzufangen, als ihr die Haare zu kämmen. Wie abartig er war, äußerte sich in dem Moment, da er meiner Mutter und mir eröffnete, dass wir, solange er lebte, die einzigen Frauen sein werden, für die er je Zuneigung empfinden könnte – und zwar so, wie es uns gebührt. Meine Mutter liebte er wie eine Mutter und mich … mich würde er immer lieben wie eine Schwester. Der Sinn aller anderen Frauen auf dieser Welt würde ihm auf ewig verborgen bleiben.“
Arrow überlegte. „Dann war das Problem, dass er noch nicht die Richtige gefunden hatte, um zu heiraten?“
„Nein!“, antwortete Lizzy barsch. „Das Problem bestand darin, dass er anfing, meinen Ehemann zu umgarnen!“
Hopla. Arrow wurde rot. So hätte sie Adam nie eingeschätzt. Wer würde denn schon den eigenen Geschwistern den Partner ausspannen?
„Aber … das war sicher ein Missverständnis, Lizzy. Du kennst doch deinen Bruder. Er ist der rücksichtsvollste Mensch, den es gibt. So etwas hätte er nie absichtlich gemacht.“
„Oh, ich bitte dich!“ Lizzy rollte mit den Augen. „Er hat Schande über uns gebracht. Meine ganze Familie ist gestraft durch ihn. So, nun hast du deine Antwort und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe!“
Zornig wandte Lizzy sich wieder ab und stapfte davon. Arrow wollte ihr noch nachrufen, doch sie wusste, dass Lizzy nicht darauf reagieren würde.
Niedergeschlagen dachte sie darüber nach, wie glücklich sie einst hier gewesen war. Jetzt war alles anders. Traurigkeit stieg in ihr hoch und sie begann wieder zu weinen. Seitdem sie diesen Ort einst verlassen hatte, ging alles schief und das Glück, welches sie sich von ihrer Rückkehr erhofft hatte, schien unwiederbringlich verloren – in dieser und in jener Welt.
Arrow tat sich schwer damit, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, denn wie sie herausgefunden hatte, standen diese seit neustem in engem Zusammenhang mit kräftigen Winden. Immer dann, wenn sie besonders traurig war, entfachte sie einen Sturm, der über die Grenzen des Waldes hinaus viel Verwüstung anrichtete. Das freute sie nicht besonders, aber es brachte ihr wenigstens Beachtung ein. Immer öfter kamen jetzt ein Priester und eine Gruppe Dorfbewohner. Sie hielten alle ängstlich ihre Kruzifixe auf Arrow gerichtet, während der Priester aus der Bibel zitierte und sie mit Wasser bespritzte. An Tagen, an denen die Herbstsonne wärmend auf der Haut prickelte, war das noch ganz angenehm, doch umso näher der Winter kam, desto mehr ging es Arrow auf die Nerven.
Auch störte der Priester sie beim Lesen ihrer Bücher. Was er aus der Bibel zitierte, war schlecht verständlich. Arrow hatte ihn zwar wiederholt aufgefordert, gewisse Passagen zu wiederholen, doch darauf ließ er sich nie ein. So verlor sie irgendwann den Faden und las während dieser Rituale die ihr zur Verfügung stehenden Bücher aus den verlorenen Taschen der Wanderer.
An einem Tag, da es Arrow besonders auf die Nerven ging, vertrieb sie die Gruppe, indem sie ihre Schuhe nach ihnen warf. Dabei wurde sie bald so wütend, dass kurz darauf ein Sturm losbrach. Dummerweise brachte ihr das die Schuhe aber nicht zurück und sie konnte den Wald ja nicht verlassen. So plagte sie sich eine ganze Weile ohne Schuhe. Sehr gelegen kam ihr das nicht, denn der Winter klopfte ja schon an die Tür des Jahreszeitenwechsels.
Der Winter – das wusste Arrow – würde hart werden. Das lag noch nicht einmal unbedingt nur an der Kälte, sondern vielmehr daran, dass es sie so sehr an Keylam erinnerte und damit natürlich gleichzeitig an ihren Vater. Andererseits war es aber auch egal, welche Jahreszeit herrschte und ob es Morgen oder Abend war. Sie dachte sowieso ständig an die beiden und ganz besonders viel an ihren Vater.
Arrow machte sich die größten Vorwürfe. Immer wieder spielte sie die Ereignisse in ihrem Kopf durch und sie überlegte, wie sie es hätte anders machen können, doch es fiel ihr nicht ein. Zwei
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