Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
sie immer gesehen hatte. Und so war es für Anne ganz natürlich, dass Arrow sich so großer Beliebtheit erfreute.
Mit einem Satz erhob Anne sich vom Bett, überhaupt nicht gebrechlich und ganz ohne ihren Gehstock – sie wirkte so fit wie jemand in Arrows Alter. Dann reichte sie ihr die Hand. „Komm jetzt, Kind. Wir müssen gehen. Es wird wirklich ... Zeit.“
„Aber wofür denn?“
Anne beugte sich zu ihr. Mit strahlenden Augen flüsterte sie: „Für etwas ganz Wunderbares.“
Schon wieder etwas GANZ Wunderbares, dachte Arrow. Sie fragte sich, wie viel Wunderbares ein Mensch wohl ertragen konnte. Diese Welt war zweifellos sehr aufregend, doch fürs Erste war ihr Bedarf an Wunderbarem eigentlich gedeckt.
Sie erhob sich von ihrem Bett und warf einen Blick in den Spiegel. Mit einem erschrockenen „Ach du liebe Güte“ sah sie an sich herunter.
„In Ordnung. Ich will jetzt SOFORT wissen, wer das hier ständig mit mir anstellt und wie viele Leute mich dabei nackt gesehen haben!“
Arrow kochte vor Wut. Mit jeder Sekunde wurde ihr Gesicht ein bisschen roter.
Anne hingegen zuckte ratlos mit den Schultern. „Was meinst du?“
„Na das!“, tobte Arrow und zeigte auf ihr Kleid. Wieder einmal hatte jemand ihr die Mühe abgenommen, sich selbst umzuziehen, ohne, dass sie davon das Geringste bemerkt hatte.
Das leichte weiße Sommerkleid war einem grau-blauen schweren Winterkleid mit langen weiten Ärmeln und einer großen Kapuze gewichen. Zweifellos war es sehr schön, wenngleich es sehr schlicht war. Das alles jedoch änderte nichts an der Tatsache, dass Arrow dieses heimliche Umkleiden missfielen.
Anne schaute nach wie vor völlig überrumpelt. Mit einer geschwungenen Handbewegung über ihre Brust änderte sich ihr wallend grünes Kleid in ein grau-blaues, wie Arrow es trug.
Fragend schauten sich die beiden Frauen an.
Nach einem Moment des Schweigens zuckte Anne mit ihren Schultern. „Hhäm?“, stieß sie fragend hervor, was übersetzt so viel wie ein genervtes „Frage beantwortet?“ heißen sollte.
Schweigend nickte Arrow und folgte Anne ungerührt zu etwas „ganz Wunderbarem“.
Die grüne Lady
Die untergehende Sonne tauchte das Schloss in ein feurig rotes Licht, durch das sich lange Schatten zogen. Es war um einiges zu warm unter den schweren Gewändern, doch sie schienen wichtig zu sein, denn die Gänge waren voll von Leuten, die alle die gleiche Tracht trugen. Alle gingen in dieselbe Richtung. Keiner von ihnen sagte etwas. Jeder behielt seine Gedanken für sich.
Der Weg endete in einer großen Halle tief im Innern des Schlosses. Außer zahlreichen anderen Leuten befand sich nichts weiter in dem großen Raum. Über viele verwinkelte Ecken drangen nur noch wenige Sonnenstrahlen zu diesem Saal vor.
Obwohl sich die Halle immer weiter füllte, war es dennoch seltsam still an diesem Ort. Die Blicke aller Anwesenden hatten sich starr auf die Wand zur Berginnenseite geheftet. Das Relief darauf stellte den Abendhimmel dar. Am Horizont ging die Sonne unter, ziehende Wolken enthüllten den aufgehenden Mond. Die Darstellung wirkte überwältigend, vor allem, weil sie sich tatsächlich im Einklang mit dem realen Himmel bewegte. Als die Sonne unterging, erhellte silbriges Mondlicht den Raum.
Wie aus dem Nichts schwebten hunderte von Sternen von der Decke herab. Instinktiv formte Arrow ihre Hände zu einer Schale, auf denen sich ein einzelner leuchtender Funke niederließ und darin ruhte. Natürlich erkannte sie ihn auf Anhieb wieder. Es war dasselbe vertraute Leuchten, das sie zum ersten Mal erblickte, als sie ihre Welt verlassen hatte, dasselbe Leuchten, das sie in diese Welt begleitet hatte, und dasselbe Leuchten, das, obwohl sie es vorher nie erahnt hatte, seit jeher an ihrer Seite war.
„Arrow“, flüsterte Anne, während sie auf die Wand zeigte. „Nur mit einem Stern kannst du den Himmel betreten.“
Der Reihe nach gingen die Anwesenden in den Mond – durch die Wand. Offenbar war sie die Nächste.
Skeptisch folgte sie ihrem Vorgänger. Bloß nicht auffallen, bloß nichts falsch machen, dachte sie. Wenn Andere das können, dann schaffe ich das auch – durch eine Wand gehen ...
Ohne anzuhalten ging sie darauf zu, atmete tief ein und hielt die Luft an, bis sie auf der anderen Seite war. Dort angekommen, stellte sie erleichtert fest, dass es sich gar nicht um einen Zauber handelte, sondern wirklich nur um einen Durchgang, den die Dunkelheit nicht als solchen zu erkennen gab.
Dem
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