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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Gedanken von vorher in Erinnerung. Aber der Kanzler beschäftigte sich nicht lange mit dem wachsenden Einfluss der Gilden. Er hatte an diesem Abend andere Belange mit seinem Than zu besprechen.
    »Das ist ein Anblick, Mordyn, nicht wahr?« Gryvan seufzte verzückt.
    »Allerdings«, stimmte der Kanzler leise zu.
    »In meiner Kindheit gab es innerhalb der Stadtmauern von Vaymouth unbebaute Flächen, die breit genug für Pferderennen waren. Und so viele Obstgärten, dass während der Erntezeit jedes Kind täglich seinen Apfel erhielt. Alles verschwunden – alles in Wohnviertel, Werkstätten und Marktplätze verwandelt.«
    In Gryvans Tonfall schwang keine Sehnsucht nach der Vergangenheit mit, eher ein gewisses ehrfürchtiges Staunen.
    »Wir beide haben es geschafft, dass die Welt auf uns blickt«, sagte er. »Wir haben eine Stadt errichtet, die das Leben anzieht. Glaubt Ihr, dass Dun Aygll je diesen Glanz erreichte?«
    »Nein«, entgegnete Mordyn und verlieh seiner Stimme bewusst einen nachdenklichen Klang, »ganz sicher nicht den Glanz von Vaymouth.«
    »Die Aygll-Könige gingen unter, weil sie nicht länger vorwärtsstrebten. Sie schufen zu lange nichts Neues mehr. Sie gaben es auf, ihre Kriegsherren mit immer größerem Ruhm einzuschüchtern.«
    Eine Einschätzung, die kaum den Tatsachen gerecht wird, dachte Mordyn. Die Aygll-Dynastie war untergegangen, weil der Krieg der Befleckten ihre Kräfte auf den Schlachtfeldern ausgezehrt hatte, weil die Minen im fernen Dyne nichts mehr hergaben und weil der Na’kyrim Orlane den letzten König des Geschlechts, der diesen Titel verdiente, in eine Marionette verwandelt hatte. Doch der Kanzler verspürte wenig Lust, dem Hoch-Than seine weinseligen Thesen auszureden, denn Gryvan pflegte selbst im angetrunkenen Zustand eher auf kluge Ratschläge als auf die Stimme geistiger Getränke zu hören.
    »Die Großen dürfen niemals rasten, wenn sie Erfolg haben wollen«, erklärte Gryvan. »Sie müssen immer weiter und weiter gehen. Der Süden ruft mit verführerischer Stimme. Nächstes oder übernächstes Jahr, bevor ich zu alt bin für solche Unternehmen, müssen wir uns mit dem Königreich Dornach messen. Ah, welches Erbe könnte ich meinem Sohn hinterlassen, wenn es uns gelänge, dieses Nest von Tagedieben und Hurenböcken auszunehmen!«
    Mordyn hatte den Eindruck, dass der Hoch-Than nicht wahrhaben mochte, wie sehr die Jahre an seinen Kräften zehrten. Der Mann erholte sich von dem jüngsten Krieg längst nicht mehr so rasch, wie er es früher getan hatte. Sein Gesicht wirkte immer noch spitz und eingefallen, und die Haut unter seinen Augen war längst nicht so welk gewesen, als er in den Kampf zog. Dabei wäre eine Kampagne gegen Dornach ein weit anstrengenderes Unterfangen als der Rachefeldzug gegen Igryn oc Dargannanan-Haig.
    »In der Tat«, pflichtete ihm die Schattenhand bei. »Obwohl wir erst einmal Dargannan befrieden müssen, wenn dieser Plan Erfolg haben soll.«
    Gryvan riss sich von der grandiosen Aussicht los und bedachte seinen Kanzler mit einem ironischen Lächeln.
    »Immer der kühle, nüchterne Denker«, stellte er fest.
    »Ich teile Eure Vision«, entgegnete Mordyn und dachte: Du hattest sie nicht, bevor ich sie dir eingab! »Aber unsere Triumphe von übermorgen beruhen nun einmal auf unseren Taten von morgen.«
    Gryvan klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Ich weiß, ich weiß. Ihr erinnert mich so oft daran, dass ich es nicht vergesse. Und wir werden bald einen Nachfolger für Igryn auswählen – wenngleich ich geneigt bin, noch eine Zeit lang mit anzuschauen, wie sich seine blutgierige Sippschaft gegenseitig zerfleischt. Ich denke, das ist ein harmloser Spaß, solange die tausend Mann, die ich zurückließ, als Besatzungstruppe in Dargannan bleiben.«
    Mordyn nickte und beschloss, dass es an der Zeit war, das kleine Problem anzuschneiden, das ihm in den letzten Tagen Kopfzerbrechen bereitet hatte.
    »So verlockend der Blick nach Süden ist – ich fürchte, wir müssen uns erst einmal mit den Vorgängen im Norden befassen, Mylord.«
    Der Hoch-Than war nicht zu betrunken, um eine Augenbraue hochzuziehen und Mordyn mit stahlhartem Blick zu mustern.
    »Ich dachte, was das betrifft, könnten wir ruhig schlafen, Mordyn. Bevor ich in den Süden zog, waren wir uns einig, dass die Ereignisse im Tal des Glas auf lange Sicht keine entscheidende Rolle spielen würden.«
    »Gewiss«, erwiderte Mordyn mit einer Leichtigkeit, die ihm innerlich längst abhandengekommen war.

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