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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Dutzenden toter Tarbain.
    Sie begaben sich weiter nach Effen, und dort scharte Nyve fünfzig Bewohner der Stadt um sich. Er war jung, aber er gehörte zu den Kindern der Hundert, und in seinen Augen brannte ein wildes Feuer; niemand wagte es, sich ihm zu widersetzen. Er führte sie an die Stelle, wo der Kampf stattgefunden hatte, und sie verfolgten die Spuren der Tarbain-Jäger zurück zu ihrem Ursprung. Am zweiten Abend fanden sie das Dorf. Sie brannten es nieder. Nyve enthauptete eigenhändig den mit Schädeln geschmückten Häuptling und sandte den abgeschlagenen Kopf nach Effen. Dann kehrte er allein nach Kan Dredar zurück. Nyve war jetzt fünfundfünfzig und ging gebückt. Seine Finger waren knotig vom Alter, die Gelenke steif und geschwollen. Obwohl er seit einigen Jahren kein Schwert mehr halten konnte, hatte bis jetzt noch niemand versucht, ihn als Führer der Krieger-Inkall abzulösen. In dem geschwächten Körper wohnte ein wacher, scharfer Geist. Theor, der Erste der Barden, mochte Nyve. Er vertraute ihm. Sie hatten gemeinsam die Rangstufen ihrer jeweiligen Inkalls erklommen und waren in kurzem zeitlichen Abstand an die Spitze gelangt.
    Nun saßen sie bei einer Schale vergorener Milch in Nyves Gemächern. Es war Narqan , eine Spezialität der Tarbain, die einige Häuser des Nordens vor langer Zeit übernommen hatten und die nun seit hundert Jahren das traditionelle Begrüßungsgetränk der Krieger-Inkall war. Nyve musste sein Gefäß zwischen den verkrüppelten Knöcheln halten. Er setzte es geübt ab und leckte sich die Lippen, während er beobachtete, wie Theor seine Schale leerte.
    »Gut so«, sagte er, als Theor den letzten Tropfen kippte. »Ihr trinkt das Zeug wie einer meiner Krieger. Jedenfalls fällt es Euch leichter als früher.«
    Theor schnitt eine nicht ganz ernst gemeinte Grimasse. Narqan schmeckte ihm nicht, aber er war als Besucher hier und bereit, die Sitten und Gebräuche seines Gastgebers zu achten.
    »Es steht einem Mann gut an, seine Abneigungen zu überwinden«, meinte Nyve mit einem leisen Lachen.
    »Ich bin wie immer dankbar für die Gelegenheit, mich zu bessern. Wie geht es mit den Gelenken?«
    Nyve betrachtete seine Hände, als gehörten sie einem Fremden. »In dieser Jahreszeit nicht besonders gut. Ich denke, das liegt an der Feuchtigkeit und Kälte, obwohl mir das niemand glauben will. Als ob ich das selbst nicht am besten beurteilen könnte – schließlich kenne ich meine Knochen gründlicher als jeder andere.«
    Ein junger Diener kam und nahm die leeren Schalen mit. Nyve schaute ihm nach, als er sich entfernte. »Das ist ein Vetter zweiten Grades von Lakkan oc Gaven-Gyre. Oder dritten Grades? Jedenfalls heißt er Calum. Findet Ihr nicht auch, dass er eine gewisse Familienähnlichkeit besitzt?«
    »Krankhafter Ehrgeiz und Arroganz sind meist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Sie meinen immer, es könnte nicht schaden, einen der Ihren bei uns einzuschleusen.« Theor lächelte. »Und sie bilden sich ein, die Blutsbande seien so stark, dass nicht einmal wir es schaffen, sie zu kappen.«
    »In der Tat. Ich glaube, seine Eltern waren entsetzt, als er den Wunsch äußerte, sich bei uns zum Krieger ausbilden zu lassen. Lakkan bestand darauf, dass der Junge seiner Neigung folgen durfte – natürlich nicht deshalb, weil ihm sein Wohl am Herzen lag, sondern weil er es praktisch fände, einen Spion in unserer Gemeinschaft zu haben. Bis jetzt macht sich der Kleine gut. Vielleicht schafft er es eines Tages sogar bis in die Reihen der Kämpfer.«
    »Ihr behaltet ihn vermutlich in Eurer Nähe.«
    »Gewiss. Ich möchte Lakkan nicht beunruhigen. Außerdem schlafe ich selbst etwas besser, wenn ich weiß, was er so treibt. Nur für den Fall – Ihr versteht.«
    Draußen erhob sich Waffengeklirr, als Jungkrieger im Hof zu Übungsgefechten antraten. Nyve hielt den Kopf schräg und lauschte mit zufriedener Miene.
    »Was hört man aus dem Süden?«, erkundigte sich Theor.
    »Nichts Neues seit dem Sieg bei Grive. Eigentlich zieht sich die Sache viel zu lange hin. Ich hätte nie gedacht, dass es das Buch der Vorsehung mit Kanin so gut meinen würde.«
    »Sein Glaube verleiht ihm Kraft.«
    »Sein Glaube und die Schleiereulen. Nach Shraeves Bericht hätten vermutlich alle den Tod gefunden, wenn nicht dieses Halbblut mit Hunderten von Waldelfen aufgetaucht wäre, um sie zu unterstützen. Vielleicht hätten wir uns doch näher mit diesem Na’kyrim befassen sollen, als er in Hakkan weilte und die

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