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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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und seiner Familie.«
    Taim presste die Lippen aufeinander und senkte den Kopf. »Ich weiß. Ich bin zu spät gekommen.«
    »Unsinn«, murmelte Lheanor. »Ihr habt Euch und Eure Kämpfer bis zur völligen Erschöpfung vorangetrieben. Und wärt Ihr früher gekommen, hätten sie Euch nur getötet und Eure Leichen den Aasfressern überlassen. Verzeiht mir die harten Worte. Eure Familie hat sicher irgendwo im Tal Schutz gefunden.«
    »Ihr müsst Euch bei mir nicht entschuldigen«, widersprach Taim. »Euer Sohn gab sein Leben in der Schlacht von Grive. Ihr habt bereits einen schrecklichen Preis für die Freundschaft zu unserem Haus bezahlt. Aber … als ich nach Süden ging, zog meine Frau Jaen zur Familie unserer Tochter. Nach Glasbridge.«
    Der Than seufzte. »Das wusste ich nicht. Wie es mich bedrückt, diese Zeiten erleben zu müssen!«
    Müdigkeit und Verzweiflung lagen im Blick des alten Mannes. Werden wir alle so enden?, dachte Taim. Ausgehöhlt? Vom Unglück gezeichnet?
    »Ich klammere mich an die Hoffnung, dass einer von ihnen überlebt hat«, sagte Lheanor. »Naradin, wenn nicht Croesan selbst. Vielleicht sogar der Säugling. Aber mein Herz sagt mir, dass dies nichts anderes als törichtes Wunschdenken ist. Die Hunde vom Schwarzen Pfad haben ganze Arbeit geleistet. Ich weiß, dass Euch Croesans Leben so teuer war wie das eigene.«
    »Teurer. Er war ein weit besserer Mann als ich.«
    »Einer der besten. Er wird mir fehlen. Wir saßen oft hier zusammen und redeten.«
    »Worüber?«
    »Worüber reden alte Männer? Über unsere Familien, die Ernte, unsere Jagdhunde, den Preis für Felle und Wolle. Er war nicht ganz so alt wie ich, sodass er nur zuhörte, wenn ich von meinen Schmerzen und Gebrechen erzählte. Zuhören, das konnte er gut.« Lheanor lächelte bitter. »Manchmal besprachen wir auch wichtigere Angelegenheiten. Wir glaubten beide, wir müssten uns gegen Gryvan und die Schattenhand zur Wehr setzen. Ihr Ehrgeiz und ihre hohen Tribute erschienen uns bedrohlicher als ein Krieg aus dem Norden, zumindest in der nahen Zukunft. Wir hofften, dass wir friedlich in unseren Betten sterben könnten.«
    »Der Ehrgeiz des Hoch-Thans könnte sich in der Tat als die größere Gefahr erweisen«, stellte Taim fest. »Ich hörte auf dem Weg hierher allerlei Gerüchte.«
    Der Than von Kilkry schien nicht sonderlich überrascht. Er betrachtete seine Hände, die vom Alter schlaff und fleckig waren. Nachdenklich presste Lheanor die Fingerspitzen zusammen.
    »Gerüchten kann man nicht unbedingt trauen«, meinte er, ohne aufzuschauen. »Aber im Moment glaube ich ihnen mehr als den Worten aus dem Hause Haig. Gryvans Steward Lagair schleicht in den letzten Tagen ständig um mich herum. Sein Beileid und sein Trost sind so hohl wie eine tote Eiche. Die Unterstützung aus dem Süden kam viel zu spät; bis jetzt sind nicht mehr als hundert oder zweihundert Kämpfer eingetroffen. Es heißt, dass sich gegenwärtig in Vaymouth größere Truppenverbände sammeln, aber wo waren sie, als mein Sohn den Kriegern vom Schwarzen Pfad entgegentrat? Ich bedaure, dass ich Gerain nicht jeden verfügbaren Mann mitgab. Vielleicht sollte ich jetzt noch ein Heer zusammenstellen und es selbst in die Schlacht führen.«
    Er schaute auf und begegnete Taims düsterem Blick.
    »Aber unser Herrscher in Vaymouth verbietet es. Er verbietet mir, den Tod meines eigenen Sohnes zu rächen. Er gebietet mir, auf seine Truppen zu warten. Und ich habe Angst, Taim. Ein Than sollte das nicht zugeben, aber ich habe Angst. Irgendwie ist es unseren Feinden gelungen, sich mit den Waldelfen zu verbünden, und wenn ich nach Anduran marschiere, wie es mein Herz befiehlt, was wird dann aus meinen Dörfern, was wird aus meinen eigenen Leuten in den Grenzgebieten? Wie konnte das geschehen, Taim, dass der Schwarze Pfad und die Waldelfen gemeinsam gegen uns kämpfen? Ich hätte so etwas nie im Leben für möglich gehalten.«
    »Ich auch nicht«, pflichtete Taim bei. »Aber das gilt für alles, was sich in letzter Zeit zutrug.« Er machte eine abwehrende Kopfbewegung, wie um die bösen Erinnerungen zu verscheuchen. »Dieser Krieg in Dargannan sollte mein letzter Einsatz sein. Ich dachte, danach müsste ich meine Frau nie wieder allein lassen.«
    Die schmale Tür öffnete sich knarrend. Lheanors Gemahlin Ilessa trat ein und reichte ein Tablett mit Gebäck herum. Taim schaute mit einem schwachen Lächeln zu ihr auf. Sie besaß jene ganz besondere Schönheit, die manche Frauen erst im

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