Winterwunder
die Stellung halten.«
»Du balancierst aber selbst auch ziemlich nah am Abgrund entlang.« Um seine Zigarre herum grinste Rod ihn an. »Du gehst mit Parker. Der letzten Bastion aus Dels Quartett.«
Mal warf Del einen raschen Blick zu, doch das Pokerface seines Freundes blieb unbewegt, und er sah Mal ziemlich ungerührt an. »Ich habe ein gutes Gleichgewichtsgefühl.«
Frank schnaubte. »Das kannst du gern glauben, Freundchen, bis du feststellst, dass du über die Kante gegangen bist und das mit dem ›Stellung halten‹ nicht mehr klappt.«
»Ein Glück, dass er mal Stuntman war«, fügte Jack hinzu. »Er müsste wissen, wie man richtig fällt.«
Mal trank einfach noch einen Schluck Bier. Ja, er wusste, wie man fiel. Doch er wusste auch, was passieren konnte, wenn die Landung nicht so klappte wie geplant.
Seine Mutter hielt ihren Haushalt in Ordnung, dachte Mal. Das war eine Frage des Stolzes, aber auch Veranlagung und Gewohnheit. Vor dem Essen am Sonntagabend – diesem Sonntagabend – hatte sie sich allerdings auf den Hausputz gestürzt wie ein Säufer auf eine Flasche Wild Turkey.
Es war ein hübsches Haus. Bei der Suche nach einem Haus, das für sie geeignet wäre und von dem er glaubte, dass sie darin wohnen wollen würde, hatte Mal sich von Anfang an große Mühe gegeben. Er hatte Wert auf eine gute Nachbarschaft gelegt, eine, in der die Leute noch miteinander redeten und sich ein bisschen umeinander kümmerten. Es sollte nicht so groß sein, dass es sie verwirrte oder ihr einfach zu viel wäre, aber auch nicht so klein, dass sie sich eingeengt fühlte.
In der umgebauten Ranch mit der traditionellen Ziegelfassade und dem Rasenstück, dessen Pflege sie beide leicht bewältigen würden, hatte er gefunden, was er suchte. Die angrenzende Werkstatt mit der darüberliegenden Wohnung war der große Bonus gewesen.
Sie liebten einander, hatten einander richtig gern, doch zusammen zu wohnen war für keinen von ihnen infrage gekommen. So hatte jeder sein eigenes Reich, seine Privatsphäre, seinen Alltag. Doch er war nahe genug, um ein Auge auf seine Mutter zu haben. Und umgekehrt, wie ihm sehr wohl klar war.
Er konnte ihre Küche plündern, morgens eine Tasse Kaffee schnorren, wenn ihm danach war. Das kam auch vor, aber es war nicht die Regel. Und sie konnte ihn rufen, wenn im Haus irgendwas repariert oder der Müll rausgeschleppt werden musste.
Mit diesem System konnten sie beide gut leben.
Außer wenn sie ihn gerade auf die Palme brachte.
»Mama, es ist nur ein Abendessen. Es geht ums Essen.«
»Sag du mir nicht, worum es geht.« Kay drohte ihm mit dem Finger, während sie – erneut – in der Sauce für die Lasagne rührte, die, wie er wusste, ihr Vorzeigegericht war, ihr Markenzeichen. »Wann hast du zum letzten Mal eine Frau mit zum Abendessen gebracht?«
»Mehr oder weniger noch nie.«
»Genau.« Nun drohte sie ihm nicht mehr mit dem Finger, sondern stach damit in seine Richtung.
»Außerdem bringe ich sie gar nicht mit.« Bei der Vorstellung juckte es ihn an den Schulterblättern. »Sie bringt sich selbst mit.«
»Dafür solltest du dich schämen.«
»Aber sie …«
»He!«
Das war noch eines ihrer Markenzeichen – der Laut, der sagte, versuch gar nicht erst, mit mir zu diskutieren.
Er atmete tief durch, wechselte die Strategie. »Das riecht gut.«
»Und schmeckt noch besser.« Sie nahm einen Löffel, tunkte ihn ein, reichte ihn ihm.
»Ja, stimmt«, bestätigte er nach der Kostprobe.
»Das muss es auch. Das ist mir wichtig. Das Mädel hat Klasse.«
»Genau wie du, Ma.«
»Allerdings, aber du weißt, wovon ich rede. Es war Klasse, weswegen sie mich angerufen hat, um mir für die Einladung zu danken. Also bekommt sie von mir ein gutes Essen.« Sie zwinkerte. »Mit etwas Klasse. Ich habe edle Horsd’œuvres gemacht.«
»Würstchen im Schlafrock?« Als Kay lachte und dabei auf ihre typische Art den Kopf in den Nacken warf, piekte er sie in die Seite. »Ich mag Würstchen im Schlafrock.«
»Heute Abend bekommst du aber keine. Bist du sicher, dass dieser Wein gut ist?« Sie zeigte auf die beiden Flaschen auf der Arbeitsplatte, von denen eine zum Lüften geöffnet war.
»Ganz sicher.«
»Damit kennst du dich besser aus als ich – durch dein Lotterleben in Hollywood.«
»Ja, aber damals habe ich den nur aus den Bauchnabeln von Frauen geschlürft.«
»Dadurch kannst du ja nicht mal einen gescheiten Schwips kriegen«, sagte Kay, und diesmal musste er lachen.
Sie trat vom Herd zurück
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