Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
gegangen. Auch die Mitarbeiter verabschiedeten sich nach und nach an ihrem Tisch und versäumten nicht, ihr zu gratulieren. Leonie empfand diese Unterbrechungen als sehr angenehm. Die Sonne war hinter den Weinbergen verschwunden. Sie dachte daran, sich auch zu verabschieden, wusste aber nicht, wie sie es am geschicktesten anstellen sollte. Zu gern würde sie einfach auf ihr Zimmer gehen und das Etui mit der Perlenkette hier liegen lassen wie ihr verhasstes Leben. Verbitterung stieg in ihr auf. Wenn sie nicht acht gab, würden ihre Emotionen sie auf der Stelle überwältigen. Das wäre eine Katastrophe. Dieser verhasste Mensch, der ihr Vater war, die verhassten Weinberge, in denen sie schuften musste. Sie fühlte sich in ihrem Herzen nicht als Winzerin und glaubte, es trotz ihrer Ausbildung niemals zu werden. Davon war sie überzeugt. Unwillkürlich musste sie daran denken, was Thomas ihr wie ein Geheimnis anvertraut hatte. Wein hat etwas Faszinierendes. Aber ohne Leidenschaft im Weinbau würde der Wein lediglich zu einem bloßen Produkt degradiert. Diese Leidenschaft spürte sie nicht in sich, obwohl der Wein durchaus eine gewisse Faszination auf sie ausübte. Vermutlich lag es nur darin begründet, weil sie mit dem Wein aufgewachsen war. In Thomas vereinte sich diese Leidenschaft mit seinem Können. Sie wusste, dass er von eigenen Weinbergen träumte. Sich eine eigene Kellerei wünschte. Aber all das hatte sein Vater buchstäblich versoffen. Der Wein hatte seinen Tribut gezollt. Außer Winzerblut hatte der alte Broll seinem Sohn nichts hinterlassen. Wie gerne würde sie aufstehen und sich verabschieden, aber eine vertraute Mischung aus Furcht und Gehorsam ließ sie sitzen bleiben. „ Ich mache dann morgen im Pfaffenberg weiter“, versuchte Leonie auf ein › gute Nacht ‹ hinzuarbeiten, „und sollte lieber jetzt ins Bett gehen, Vater.“ Sie begann, sich langsam aus der Bank zu schieben. „Und danke noch für das Essen und den Abend und das Geschenk.“ Auch Rosskamp zwängte sich aus der Bank. Er wankte. Nur fort, fort, durchzuckte es Leonie. Aber es war zu spät. Herbert Rosskamp schnappte nach ihr und legte seine schweren Arme um sie. „Gute Nach, Leonie“, brachte er gepresst hervor, „eines Tages verrate ich dir ein Geheimnis und dann wirst du alles verstehen.“ Im nächsten Augenblick riss er mit einem heftigen Ruck die Druckknöpfe ihres Kleides auf. In dem Moment drehte sie sich um und rannte die steinerne Treppe herunter. Sie hörte ihn hinter sich fluchen und bald darauf seine Schritte auf der Treppe.
5
Beim Abendessen auf der Terrasse des Hotels Hohenzollern in der warmen Sommerluft bestaunten Anke und Wolf den imposanten Ausblick auf die Bäderstadt Bad Neuenahr, das mittelalterliche Ahrweiler und das Kloster Kalvarienberg. Anschließend starteten sie zu einem ersten Spaziergang. Als sie die Anhöhe des Parkplatzes › Bunte Kuh‹ erreichten, blieb Anke stehen. Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf das unterhalb vor ihr liegende gelbe Gebäude. „ Das sind Rosskamps Weinterrassen“ , klärte Wolf sie auf, „sagte mir jedenfalls einer der Kellner.“
„ Das Gebäude erinnert mich irgendwie an Fred Feuerstein“, amüsierte sich Anke und Wolf lachte. „Na, ob das im Sinne des Architekten war, dass sein Werk Assoziationen in diese Richtung wachruft. Soviel ich weiß, hat er sich mehr an den Künstler Hundertwasser orientiert als an Fred Feuerstein.“
Anke puffte ihn in die Seite. Sie war guter Laune. Das Ahrtal gefiel ihr und mit Wolf lief es besser als gedacht. „Auf geht’s, weiter, das Kunstwerk muss ich mir näher ansehen.“
„ Später“, wandte Wolf ein. „So wie ich dich kenne, bleibst du nämlich gleich dort auf der Terrasse hängen. Erst wird mal ein Stück gelaufen.“
„ Wie der Herr wünschen“, grinste Anke, „im Urlaub überlasse ich dir großzügig das Sagen.“
Sie wanderten den Rotweinwanderweg entlang, bis sie unten in Walporzheim auf die Ahrtalstraße stießen.
„ Puh“, stöhnte Anke, „ich bin schon lang nicht mehr so viel gelaufen. Wenn ich nicht gleich einen schmackhaften Roten bekomme, knicken mir die Beine weg“, lachte sie und schielte nach rechts zum Restaurant › Bunte Kuh ‹. Es lag direkt neben ihnen an der Ahrtalstraße. „Es ist zwar laut hier“, kritisierte Wolf beim Anblick der vielen Ausflügler, die sich in ihren Autos oder auf knatternden Motorrädern das Ahrtal entlang wälzten, „aber die Terrasse da oben sieht recht
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