Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
einladend aus.“
Sie fanden einen Tisch direkt am Geländer, das nett anzusehen aus Birkenholzstämmen kreiert war. Die Terrasse lag ungefähr vier Meter über der Straße.
„Ich wundere mich“, sagte Wolf, „dass der Wein hier trotz der vielen Abgase noch so gut gedeiht.“
„ Gott sei Dank sind sie noch nicht so penetrant, dass sie das mittelmeerähnlich e Mikroklima hier in den Weinbergen beeinflussen“, erwiderte Anke.
„ Was du wieder weißt“, murmelte Wolf.
„ Ein wenig Ahrtalweinkunde gefällig?“
Wolf zuckte die Schultern. „Nur zu.“
„Der dunkle Boden hier ist zumeist aus verwittertem Schiefergestein. Die Felsen und die Trockenmauern speichern tagsüber die Wärme und geben sie nachts langsam wieder ab. So haben es die Rebstöcke an der Ahr auch nach Sonnenuntergang noch immer mollig warm.“ Anke grinste, „hab ich auch nur gelesen.“
Von ihrem Platz aus konnte sie auf den bekannten Felsen › Bunte Kuh‹ mit seinem nasenförmigen Felsvorsprung sehen, der hoch über die Ahrtalstraße hinaus ragte. „Dieser Felsen“, Anke nickte in die Richtung und Wolf drehte sich um, „verdankt seinen Namen einer alten Sage.“
„ Kennst du die auch?“ fragte Wolf nach ihrer ersten Lektion ehrlich interessiert.
„ Da muss ich passen. Hier im Ahrtal kursieren viele Sagen, aber vielleicht erschien tatsächlich mal genau an der Stelle eine Kuh, und weinselige Leute glaubten, sie sei bunt.“
Wolf sah sie zweifelnd an. Anke lehnte sich etwas zurück, als die Kellnerin den bestellten leichten Spätburgunder vor ihnen auf den Tisch stellte. Sogleich ergriffen beide das Glas. Wolf hob seines in die Höhe und verkündete theatralisch: „Auf das Ahrtal und seine Sagen und einen erholsamen Urlaub mit mächtig Spaß.“
„Und schon Wilhelm Busch wusste: ›Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben‹.“
„ Wenn du damit auf meine gut erhaltenen zweiundfünfzig Jahre anspielst, kann ich nur kontern: „Und das sagt eine Frau, die auch schon auf die vierzig zugeht.“
Beide lachten übermütig. Der laue Sommerabend ließ sie länger verweilen, als beabsichtigt. Nach dem dritten Schoppen machten sie sich über die gleiche Route auf den Heimweg. Es dämmerte bereits, als rechter Hand das Feuersteinhaus vor ihnen auftauchte. Sie näherten sich der Brücke, die direkt vom Weg über den unterhalb liegenden Vorhof zu den Ferienwohnungen im oberen Stock führte. Anke fühlte sich leicht beschwipst. Auch Wolf gab sich selten ausgelassen. „Schau mal die ockergelbe Haustür da unten ist einem Fass nachgebildet, originell. Dieses Haus ist ein Witz, einmalig, so etwas habe ich noch nie gese ...“ Mitten im Satz hielt Anke inne. In ihrem Blickfeld erschien unvermittelt eine junge Frau mit wehenden Haaren wie ein leuchtend brennender Busch. Sie rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her. Ihr geöffnetes Kleid fiel ihr halb über die linke Schulter und ließ einen weißen BH aufblitzen. Sekunden später tauchte ein Mann auf, der ihr ebenso schnell folgte. Anke fasste abrupt nach Wolfs Arm. Sie blieben stehen. Ihr Blick haftete an den üppigen flammenden Haaren der jungen Frau. Anke hatte immer gedacht, ihre Haare wären schon ungewöhnlich kupferrot, aber das der Frau übertraf bei Weitem was sie unter kupferrot verstand. Der Mann hatte die Frau eingeholt, versuchte, sie fest zu halten. Sie wehrte sich vehement und schrie: „Nein, lass mich in Ruhe, nein!“ Der Mann ließ sich nicht irritieren, sein Griff schien härter zu werden. Anke hielt den Atem an. Wolf neben ihr machte Anstalten, einzugreifen und der Frau zur Hilfe zu eilen. Aber Anke hielt ihn intuitiv am Arm fest. Wolf ereiferte sich und versuchte, Anke abzuwehren.
„Der bedroht sie, wir müssen was tun!“
Anke war schon gewillt, ihn gehen zu lassen, als sie glaubte, etwas Ungewöhnliches zu bemerken. Der starre Blick der Frau schien den Mann auf sonderliche Weise zurückzuwerfen, als streife ihn ein heftiger unerwarteter Windstoß.
„Sonderbar“, murmelte Anke. Die Frau stand auf der Stelle, rührte sich nicht und sah weiterhin mit einem versteinerten Gesicht den Mann an, als wisse sie, dass dieser ihr nichts mehr anhaben konnte. Aber der schien sich bald darauf zu erholen und startete einen erneuten Angriff. Anke hielt noch einmal den Atem an. Automatisch ließ sie Wolfs Arm los. Er spurtete sofort los. Anke beobachtete fasziniert die junge Frau, die mit bewegungslosem Gesichtsausdruck in ihre Richtung schaute, ohne sie
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