Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
schmunzelte.
„Noch nicht, aber wir werden ihm die Tat nachweisen. Besitzen Sie Pfefferspray?“, fragte er übergangslos.
„ Was bitte?“ Leonie war ehrlich überrascht und das schien Münch auch zu spüren.
„ Pfefferspray, ein Selbstverteidigungsmittel, hauptsächlich von Frauen benutzt.“
Leonie schüttelte vehement den Kopf und sah ihm dabei direkt und offen in die Augen. Und sie wusste, dass er ihr glaubte.
„Sie behaupten also, Sie haben Ihr Zimmer seit Samstagabend nicht mehr verlassen und Ihren Vater seit dem nicht mehr gesehen, obwohl Sie in einem Haus wohnen.“
„ Ich wollte ihn auch nicht sehen. So gut war unser Verhältnis nicht.“
Münch nickte andeutungsweise. „ Ich habe schon festgestellt, dass Sie nicht sehr betroffen über seinen Tod sind. Fast glaube ich, es berührt Sie in keiner Weise.“
eonie biss sich auf die Lippen. Er hatte Recht, aber konnte sie das so einfach zeigen? Wer die Hintergründe nicht kannte, würde sie nicht verstehen und diese wollt e sie auf keinen Fall auf den Tisch legen. Nicht, solange sie nicht dazu gezwungen wurde. Sie fragte sich plötzlich selbst, wie sie sich fühlte. Auf der einen Seite spürte sie einen oberflächlichen Schmerz in ihrer Brust, der ihr tiefes Inneres nicht erreichte. Auf der anderen war sie verhalten froh, das Kreuz ihres bisherigen Lebens hinter sich gelassen zu haben, abgeschüttelt durch die Ermordung ihres Vaters. Für einige Sekunden fühlte sie sich frei und leicht wie ein Vogel, war sich sicher, dass jetzt erst ihr Leben beginnen würde.
„ Lieben Sie Thomas Broll?“
Die Frage platzte in ihre Gedanken. Leonie sah Münch überrascht an und lachte leise auf.
„Nein, nein, wie kommen Sie denn darauf? Er ist nur ein Freund und arbeitet schon seit vielen Jahren bei uns.“
„ Aber er hat sich Ihnen genähert und Ihren Vater damit aufgebracht. So aufgebracht, dass er ihn entlassen hat. Wie erklären Sie sich das?“
Leonie erzählte, dass Vater auch schon Köche entlassen hatte, weil er etwas vermutete. Sie lächelte zögerlich. „Wissen Sie, er war da sehr eigen.“
Münch atmete scharf. Er warf ihr einen skeptischen Blick zu, dem sie entnahm, dass er nicht wusste, wie er sie einschätzen sollte. Schweigend und rauchend wanderte er eine Weile im Zimmer umher. „Hat es bei der Entlassung der Köche auch jedes Mal einen derartigen Streit gegeben?“ Münchs Stimme bekam eine Mischung aus Spott und Gereiztheit. „Und ist wie von Geisterhand eventuell auch eine Fensterscheibe zersprungen?“
Sie konnte ihm ja wohl kaum sagen: Ganz einfach, ich habe es ›gedacht‹ und schon war es passiert. „Im Prinzip ist die Fensterscheibe ja auch egal“, fuhr Münch fort. „Aber soll ich Ihnen sagen, was mich ärgert? Seine blauen Augen warfen ihr einen maßregelnden Blick zu. „Dass sowohl Sie als auch Thomas Broll mir weiß machen wollen, keiner hätte auch nur die geringste Ahnung. Hier waren wohl übernatürliche Kräfte am Werk, was, Frau Rosskamp?“
Leonie schwieg, doch am liebsten hätte sie herausgeschrien, dass er richtig lag.
„Weder Sie noch Broll haben zur Tatzeit ein nachgewiesenes Alibi. Ich werde Sie “, das Wort betonte er, „trotzdem gehen lassen. Aber bitte halten Sie sich für weitere Befragungen bereit, die werden garantiert kommen.“
Leonie erhob sich. Sie drehte verlegen mit ihren Fingern den untersten Knopf ihrer Jeansjacke als sie fragte. „Kann ich Thomas Broll sehen?“ Münch stutzte, dann deutete er ihr kurz an, sie möge ihm folgen.
Leonie spürte ihn schon, bevor Münch die Tür geöffnet hatte. Broll sprang vom Stuhl, als sie hinter Münch das Zimmer betrat. Für einen langen Moment schloss er sie in die Arme. Dann fasste er sie bei den Schultern und schob sie ein wenig von sich weg. „Leonie, ich habe deinen Vater nicht umgebracht, das musst du mir glauben. Was die anderen meinen, ist mir im Moment egal, aber was du glaubst, nicht. Ich habe es nicht getan, auch wenn es so aussieht und sie mich in Untersuchungshaft stecken.“
Leonie sah zu Münch, der am Fenster stand und so tat, als höre er nicht zu. Er schien ihren Blick zu spüren und drehte sich zu ihnen. Leonie schaute abermals Thomas Broll an. Mit kräftiger Stimme sagte sie: „Ich glaube dir Thomas.“
20
Erst draußen kamen ihr die Tränen. Die Anspannung fiel von ihr ab. Sie hatte die überraschende Frage des Kommissars, ob sie Broll liebte, zwar verneint. Jetzt aber spürte sie, wie verbunden sie ihm war, und vor
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