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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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Ich frage unsere
Herbergsmutter um Rat und sie empfiehlt mir den direkten Weg, nicht über Samos,
dieser wäre bei diesem warmen Wetter besser zu gehen. Ich bin schon halb
überzeugt und werde meine Partnerin morgen nicht bedrängen. Sie ist froh um
jeden Kilometer den sie weniger zu laufen braucht. Sie hat kein Interesse an
die Kultur auf unserem Weg, sie interessiert nur das Ziel. Ich besuche auf
meinem Gang durch den Ort die Kirche Iglesia de Santiago, welche dem heiligen
Jakobus geweiht ist. Die romanische Apsis stammt noch aus dem 12. Jahrhundert
und die Kirche erhielt erst im 18. Jahrhundert einen Turm an dem außen das
Wappen mit den drei Festungen zu sehen ist. Im Inneren gibt es eine sehr schöne
Jakobusfigur und ein Passionskreuz aus dem 12. Jahrhundert. Ich denke zwanzig
Pilger sind jetzt in der kleinen Kirche. Sie unterhalten sich als wenn sie auf
einem Marktplatz stünden und fotografieren wie die Weltmeister. Ich setzte mich
still auf eine Bank, um zu beten. Beim hinausgehen sprachen mich zwei englische
Pilgerrinnen an und sagten zu mir, »du warst der einzige, der in der Kirche
war, alle anderen waren in einem Museum.« Eine halbe Stunde später bin ich noch
einmal zurückgegangen. Nun war ich alleine hier mit all meinen Sorgen und
Freuden. Das Wetter zog sich wieder zu, vielleicht gibt es heute ein Gewitter,
dann werden wir morgen wieder aufgeweichte Wege haben. In der privaten Albergue
»El Oribio« bekam ich einen neuen Pilgerpass. Nun werde ich bis zum Schluss
Platz für genügend Stempel haben. Für unser Abendessen reservierte ich in einem
Lokal für um 18:00 Uhr zwei Plätze. Ich hatte Lust auf ein kaltes Glas Bier und
setzte mich draußen zu sieben mir unbekannten Pilgern aus fünf Nationen. Unter
ihnen war auch ein Moslem, welcher diesen Weg ging. Wir sprachen über die
vielen Probleme in der Welt, über Streitigkeiten zwischen einzelnen Ländern und
Religionen. Der Moslemische Pilger Mehmet war in der Türkei geboren und sehr
früh mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Er sagte zu uns, viele
Menschen gehen in fremde Länder, um Arbeit zu finden, um ihre Familien ernähren
zu können. Sie bekommen oft die schlechtesten Wohnungen, werden oft verachtet
und beschimpft und mit wenig Geld abgespeist. Oft sind diese Arbeiten auch noch
gesundheitsschädlich. Viele Menschen werden in ihren Ländern vertrieben oder
müssen flüchten, weil sie verfolgt werden, oft auch wegen ihrer Religion. Wie
viele sterben auf der Flucht oder leben bis an ihr Lebensende unter unwürdigen
Bedingungen in Flüchtlingslagern? Die in dieser Zeit geborenen Kinder und noch
die nächste Generation haben keine Chance, aus diesem Sumpf auszusteigen. Ist
das richtig? Ist das vielleicht Religion? Wie lange wollen die Religionen noch
mit Gewalt ihren Glauben verbreiten und dabei denke ich an die Moslems wozu ich
auch gehöre, mich aber von so einer Verbreitung distanziere. Das ist doch nicht
der Wille des kleinen Gläubigen. Dieses Verderben wird doch gesteuert von den
Oberen der Religionen oder der Politik. Wie sieht es da in unseren Familien
aus, da fängt doch der Streit sehr oft wegen Nichtigkeiten an und wird auch vor
dem Zubettgehen nicht in Güte geregelt? Man wird am nächsten Tag wach, ärgert
sich noch mehr und bald ist das Problem nicht mehr zu lösen. Wie viele Ehen
werden dadurch geschieden? Er hatte Recht, nur kannten auch wir keine Lösung.
Ich ging zur Herberge zurück, es wurde langsam Zeit für unser Abendessen. Wie
war ich überrascht als meine Partnerin mir mitteilte, dass ich heute alleine gehen
müsste, sie hätte keine Lust. Fingen bei uns auch schon die Probleme an? Ich
ging zum Lokal und traf dort Isabella, die Pilgerin aus Brasilien. Sie saß
alleine am Tisch und ich setzte mich zu ihr. Heute Mittag hatte sie mich noch
über den Wolken fotografiert. Sie erzählte mir, dass sie morgen zum Kloster
Samos gehen würde. Dieses Kloster wäre für sie ein Höhepunkt auf ihrem
Pilgerweg. Als ich ihr sagte, dass ich dazu meine Partnerin bestimmt nicht
überreden könne, meinte sie, »Dann komm doch einfach mit mir.« Ich denke an
unserem moslemischen Pilger von vorhin, so fangen die Probleme untereinander im
Kleinen an. Ich sagte ihr ein klares Nein. Meine Pilgerpartnerin und ich gehen
nun schon sechs Wochen gemeinsam den Weg. Wir waren nicht immer derselben Meinung,
aber eine bessere Partnerin hätte ich nicht bekommen können. Ich habe ihr sehr
viel zu verdanken. Wer weiß, ob ich mit meiner

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