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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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sofort im Bild festgehalten,
sonst wird es mir zuhause keiner glauben. Einige Wolken über mir treiben sehr
schnell, als wenn sie heute keine Zeit hätten. Alle Pilger welche ich treffe,
sind von diesem Naturschauspiel begeistert, es ist fast wie in einem
Heimatfilm. Hatte ich gestern vor O Cebreiro noch Angst vor Nebel gehabt, so
bin ich ihm jetzt sehr dankbar. Ich treffe die junge Brasilianerin Isabella,
sie macht unentwegt Fotos. »Komm Heinz gib mir deine Kamera, das musst du
unbedingt festhalten, stell dich am Geländer ich mache Bilder von dir.« Heute
bin ich ihr dafür sehr dankbar. Ich ging weiter bergab, der Nebel rückte näher
und ich verschwand darin. Die Sicht war eingeschränkt und es wurde kalt.
Schnell den Rucksack aufgemacht und wärmer angezogen. Nach kurzer Zeit war ich
unter der Nebeldecke und es wurde etwas wärmer. Sie hatte eine Höhe von
vielleicht vierzig Meter gehabt. Der Himmel war nun darunter total verhangen,
aber es dauerte nicht allzu lange und an einigen Stellen kamen die ersten
Sonnenstrahlen durch den Nebel, welch ein Erlebnis hatte ich gehabt. Ich war am
ganzen Körper durchnässt, wie nach einem Regenguss. Ich traf meine Partnerin
wieder und sie war genauso wie ich begeistert von diesem Naturschauspiel. Es
ging nun merklich bergab und wir sahen weit vor uns im Tal unser Ziel,
Triacastela, liegen. Über einen sehr schönen Waldweg mit vielen
Esskastanienbäumen wandern wir über Pasantes nach Ramil. Es waren zwei sehr
kleine Bauerndörfer, wo es herrlich nach Kuhstall roch. Im Ortseingang von
Ramil drei alte Kastanienbäume. Der älteste war schon über 100 Jahre alt und
hatte einen Durchmesser von fast drei Meter. Diese langen Hohlwege welche wir
im Moment gehen, werden schon seit dem Mittelalter von Pilger gegangen. Wie
schön wäre es, wenn diese knorrigen Riesen sprechen könnten, wie viel hätten
sie uns zu berichten von Freud und Leid der damaligen Pilger. Wir haben nur
noch einen Kilometer zu gehen. Schon kurz vor 12:00 Uhr erreichten wir
Triacastela. Es war heute wieder sehr warm geworden. Wir hatten uns Zeit gelassen.
Wir wollten den Weg genießen und nicht abrennen wie so viele. Der Name des
Ortes deutet auf drei Festungen hin, welche es hier einmal gegeben hatte. Durch
König Alfonso IX wurde der Ort im 13. Jahrhundert besiedelt, hatte zu dieser
Zeit drei Pilgerhospitäler, einen Pilgerfriedhof und auch ein Pilgergefängnis.
Im Mittelalter war es Sitte, aus den Kalksteinbrüchen bei Triacastela einen
Stein bis zu den sechs Kilometer entfernten Kalköfen in Castaneda mitzunehmen,
wo der Kalk für den Bau der Kathedrale von Santiago gebrannt wurde. Ein kleines
Denkmal eines Pilgers erinnert auf dem Dorf platz an den traditionellen
Transport der Kalksteine. Wir bekamen zwei Betten in der privaten Albergue
»Aitzenea«, es war ein sehr altes aber gepflegtes Haus mit schweren
jahrhundertealten Holzfußböden. Im Eingangsbereich der Herberge hingen an den
Wänden sehr alte Messgewänder. Der Schlaf — raum war schlicht und einfach,
dafür waren die Dusche und Toilette ganz neu. Ein paar Meter weiter ein gut
bestückter Supermarkt wo wir uns eindeckten. Ich sah die gleiche Flasche Wein,
welche ich gestern Abend im Lokal getrunken hatte für einen Euro in Regal
stehen. Meine Partnerin legt sich hin und ich hatte Zeit mir den Ort anzusehen.
Mal sehen, vielleicht bekomme ich hier einen neuen Pilgerausweis, da meiner
fast voll gestempelt ist. Auf meine größte Frage habe ich im Moment noch keine
Antwort, welchen Weg sollen wir morgen gehen. Unser Ziel sollte Sarria sein,
der direkte Weg beträgt 18,5 km. Ich bevorzuge den längeren Weg über Kloster
»De los Santos Julian y Basilika de Samos.« Seine Gründung erfolgte im 5/6.
Jahrhundert auf Anlass des galizischen Apostels, des Hl. Martin Dumiense.
Geführt wird es von Benediktinermönchen. Es ist eines der ältesten Klöster
Spaniens und auch das älteste der westlichen Welt. Der Pilger hat die
Möglichkeit, dieses Kloster zu besichtigen. Es verfügt über eine Bibliothek mit
30.000 historische Bänden. Es hat eine Kirchenorgel mit 3.850 Pfeifen. Wie
gerne würde ich hier zur Pilgermesse um 19:00 Uhr gehen. Der Nachteil, die
Strecke ist länger, wir hätten 110 Meter mehr an Auf- und Abstieg, auch müssten
wir im Kloster eine Zwischenübernachtung einlegen. Ich glaube nicht, dass ich
Helga davon überzeigen kann. Wir müssen schon beide den gleichen Wunsch haben,
sonst könnte es Unfrieden geben und das möchte ich vermeiden.

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