Wir beide nahmen die Muschel
bis zu 40 cm tief ausgespült. Ist das hier
ein Bachlauf oder unser Weg? Das Gehen ist mehr als gefährlich. »Helga pass nur
auf, nur das gesunde Ankommen ist heute wichtig.« Unsere Körper sind
ausgelaugt. Es ist schon zu lange her, dass wir in Astorga einen zusätzlichen
Ruhetag hatten. Jeder Tag wird schwieriger, wir benötigen unbedingt wieder
einen Ruhetag. Endlich erreichen wir den höchsten Punkt und sahen unten einen
Ort. Ist das Portomarín? Das kann nicht sein, dieser Ort liegt doch an einem
Stausee und von Wasser ist von hier oben nichts zu sehen. Der Weg ging runter,
wurde aber nicht besser. Immer wieder kamen Verrückte mit ihren Fahrrädern den
Berg herunter gerast. Dieser Weg ist nur für Fußpilger, sie haben hier nichts
zu suchen. Aber für sie ist es ein besonderer Kick, diesen sehr schlechten Weg
mit hoher Geschwindigkeit hinunter zu fahren. Man hört sie oft erst wenn sie
laut hinter uns schimpfen, weil wir nicht schnell genug zur Seite gehen. Der
Weg wurde für uns noch schlechter. Plötzlich kommt eine größere Gruppe
Fahrradfahrer den Berg herunter. Helga ging gut 30 Meter hinter mir, ich höre
sie laut schimpfen und gehe zur Seite. Ohne zu grüßen rasen sie vorbei, sie
müssen lebensmüde sein. Es kommt ein Nachzügler mit hoher Geschwindigkeit. Ich
drehe mich um, komme ins Rutschen und springe im letzten Moment auf die Seite,
er muss ins Geröll. Nach 50 Meter ist sein Rad defekt, er konnte es nur noch
schieben. Seine hinteren Gepäcktaschen waren abgerissen und er musste sie
tragen, er hatte die größten Probleme. Seine Gruppe stand 500 Meter weiter und wartete
auf ihn. Ob er demnächst mehr Rücksicht auf Fußpilger nimmt?
Endlich nach
langen Stunden erreichen wir Portomarín mit 2.000 Einwohnern. Wir verlassen den
Wald und gehen runter zum großen Stausee vor dem Ort. Er liegt vor uns ohne
Wasser. Nur der Fluss Río Miño, der größte Galiziens, fließt in der Mitte
hindurch. Früher lag der Ort hier im Tal. Es gab zwei Stadtviertel. San Pedro
am linken Flussufer und San Nicolás am rechten. Beide Orte waren durch eine
romanische Brücke verbunden. In Jahre 1956 begann man mit den Bauarbeiten für
eine Talsperre. Dafür musste der historische Ort geopfert werden. Nur wenige
Gebäude wurden gerettet, so die Kirchen San Juan und San Pedro, zwei bedeutende
Baudenkmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert, ebenso die Kapelle Virgen de las
Nieves. Man hatte sie Stein für Stein abgetragen und 50 Meter höher im neuen
Ort wieder aufgebaut. Eine sehr lange Brücke führt uns über den leeren Stausee.
Wie können unter uns die Reste des alten Ortes und die Pfeiler der alten Brücke
noch erkennen. Nun heißt es für unsere müden Knochen steigen, eine Steintreppe
mit 45 Stufen führt uns hoch in die Altstadt. Zum übernachten hatten wir uns
die private Albergue »Ferramenteiro« ausgesucht. Sie lag unterhalb eines Hotels
und hatte 110 Betten in mehreren hintereinander liegenden Schlafsälen. Die
Sauberkeit schmerzte schon fast in den Augen. Wären nur all unsere Albergues in
diesem Zustand gewesen. Alle Betten waren mit schneeweißer Bettwäsche
überzogen. Auch eine gut bestückte Küche war vorhanden. Schnell geduscht und
raus ins Städtchen. Da meine Beine damit nicht ganz einverstanden waren wurde
der Rundgang abgekürzt. Kurz in einen kleinen Supermarkt geschaut, aber auch
der konnte uns nicht viel anbieten. Wir fanden ein gutes Restaurant und aßen
zum ersten Mal das Galizische Nationalgericht »Pulpo galleo«, Tintenfisch auf
galizische Art. Es sah so wenig aus, war aber sehr schmackhaft und sättigend.
Zwischendurch immer einen guten Tropfen Rotwein, damit der Fisch auch schwimmen
konnte. Zurück in der Albergue saßen wir noch längere Zeit im Aufenthaltsraum
und haben uns über den morgigen Tag unterhalten. Wir wollen unseren Füßen etwas
Gutes antun und nur eine kurze Strecke gehen. Noch liegen bis zum totalen Ende
unseres Pilgerweges noch fast 300 km vor uns. Da wir unseren Rückflug erst für
den 21 Juni gebucht hatten, brauchten wir nicht zu hetzen. Mal sehen,
vielleicht gehen wir nur bis Hospital da Cruz. Wir waren heute beide müde und
gingen rechtzeitig zu Bett.
Portomarín — Airexe
17,6 km, 300
m Aufstieg, 70 m Abstieg
Freitag, den
27. Mai 2011
W ir hatten
eine unruhige Nacht und haben eine halbe Stunde länger geschlafen. Die
spanischen Pilger hatten sich gestern lautstark bis um Mitternacht unterhalten,
sie haben einfach keine Disziplin und das auf dem
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