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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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hatte ich Zeit zum Schreiben. In einem
Buch habe ich einmal folgende Sätze gefunden. Pilger brauchen viel Zeit für
ihren langen Weg. Sie schauen nicht auf die Uhr und vergessen alle Termine und
Geschäfte. Sie gönnen sich einen Luxus, etwas sehr Kostbares, das man nicht
kaufen kann: Sie beschenken sich selbst mit Zeit, die sie nie hatten, Zeit zum
Innehalten und Abschalten, zum Nachdenken über sich, über die Welt und über
Gott. Wenn ich so nachdenke, schon neun Wochen sind wir unterwegs. Noch eine
Woche und wir sitzen in der Maschine und fliegen zurück. Eigentlich ist die
Zeit mir viel zu schnell vergangen. Der Jakobsweg hat alles von uns gefordert,
aber er gab es uns auch tausendfach an Schönheiten zurück. Um 18:30 Uhr gingen
wir nebenan zum Abendessen, danach machten wir noch einen kleinen
Abendspaziergang am Strand vorbei. Der Tag heute war von der Landschaft her
sehr schön gewesen und wir waren unserem Endziel wieder einen Tag näher gekommen.
Pilger hatten wir auf der Strecke nur noch wenige gesehen. Morgen werden wir
das Meer verlassen, dann geht es wieder in die Berge. Um 21:30 Uhr war
Bettruhe.

Camiños Chans — Olveiroa
     
    17,4 km, 330
m Aufstieg, 490 m Abstieg
    Mittwoch,
den 15. Juni 2011
     
     
    N ach einer
ruhigen Nacht waren wir heute seit 7:30 Uhr wieder unterwegs. Leider hatte die
Albergue keine Küche, aber wir hatten die Möglichkeit unser Frühstück zu essen.
Leider führte uns unser Weg ins Landesinnere, eben unterhielten wir uns noch darüber,
wie schön gestern der Tag vorbei am Meer für uns gewesen ist. Nun ging es sehr
steil hoch und wir wurden am frühen Morgen schon gefordert. Vier Berge mussten
wir heute besteigen und hatten leider keine Einkehrmöglichkeit. Nach einer
halben Stunde erreichten wir die erste Anhöhe und konnten es zuerst nicht
glauben, ein atemberaubender Ausblick auf die Küste, die Ria von Corcubión und
das Kap Finisterre. Was muss das für die mittelalterlichen Pilger ein Anblick
gewesen sein, welche noch nie das Meer gesehen hatten. Kurze Zeit später
erreichten wir die Ermita de San Pedro Martir. Die Quelle bei der
mittelalterlichen Kapelle soll gut gegen Rheuma, Fußschmerzen und Warzen sein.
Wir hatten keine Beschwerden und gingen weiter den Berg hoch. In einer Baumlücke
noch einmal einen schönen Blick auf die Küste von Finisterre. Wir
durchwanderten nun große Heideflächen und Pinienwälder. Nach zwei Stunden Weg
die Ermita de Nuestra
Señora de las Nieves aus dem 18. Jahrhundert. Die Wasserquelle bei der Kapelle soll gut für
stillende Frauen und Muttertiere sein. Auch dafür hatten wir keine Verwendung.
Die Landschaft änderte sich, bald hatten wir große Heideflächen dann wieder
Fichtenwälder. Auch die Sonne machte uns den Weg nicht leichter. Es wurde Zeit
für unsere Mittagspause und wir suchten uns ein schattiges Plätzchen. Zwei
Pilger kamen uns entgegen und wir begrüßten sie mit einem freundlichen »buen
camino«. Eine halbe Stunde Pause, da fiel das Weitergehen schwer. Leider hatte
ich in meinem rechten Oberschenkel wieder eine Zerrung, mal sehen wie es damit
weiter geht. In der Nacht muss es hier geregnet haben, manche Wege sind
aufgeweicht oder haben Pfützen. Wir können wieder einmal nach Herzenslust
schimpfen über das galizische Wetter, über die verblassten Pfeile auf den Wegen
und über die furchtbaren Geröllwege. Ach tut das gut! Ohne große Absprache
hatten wir uns getrennt. Ich rannte wie immer vor, Helga kam nach. Meistens
hatten wir Sichtkontakt. Kam eine unsichere Stelle, wartete ich auf sie. Nur
nicht in diesen Wäldern verlaufen, hier gab es auf viele Kilometer keinen Ort,
wir würden die größten Probleme bekommen. »Helga schau einmal, kommt dir diese
Stelle nicht bekannt vor? Hier stehen mitten im Wald zwei Wegsteine
nebeneinander.« An dieser Stelle waren wir vor anderthalb Wochen nach Muxia
abgebogen. Ich denke nicht gerne an diese Etappe zurück. Über 33 Kilometer und
von einigen hohen Bergen wurden wir bald bis zur totalen Erschöpfung gefordert
und für diese Anstrengung bekamen wir als Dank dann zwei Tage schlechtes Wetter.
Der Weg ging nun bergab durch Hospital und Logoso. Wir gingen hinunter bis an
einen kleinen Bach und legten eine kurze Verschnaufpause ein. Ich hatte Glück
und fand in meiner Pilgertasche noch eine Süßigkeit, meine Pilgerschwester
schüttelte wieder mit dem Kopf. Ohne etwas Süßes ist für mich das Leben nicht
lebenswert. Ich habe in den neun Wochen ohne zu hungern neun

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