Wir beide nahmen die Muschel
Schrecken
als ich zurückkam. Es war Ebbe und das Wasser ging zurück, das hätte böse für
sie enden können. An den Klippen hatte sie einen ihrer Strümpfe verbrannt, ich
verzichtete darauf, meine Ausrüstung war mir dafür zu teuer. Das Wasser ging
weiter zurück und wir sahen, dass es ein Steilufer war. Wie viele werden hier
in ihrer Begeisterung, so wie sie eben, zu Schaden gekommen sein. Allmählich
ging die Sonne unter, noch war sie ein glühender Ball. Wir haben unsere Flasche
Sekt geöffnet und uns zugeprostet. Wir waren so glücklich, weil der letzte Tag
uns doch noch diese Überraschung bescherte. Die Sonne sank immer tiefer, es war
nun schon etwas dunkel. Die Farben spiegelten sich im Wasser, es war herrlich
anzusehen. In all meinen Urlauben in Indien habe ich an der Arabischen See
viele schöne Sonnenuntergänge erlebt, aber hier habe ich es noch viel schöner
empfunden. Manche Pilger hatten am Strand Holz gesammelt und ein Feuer
angezündet, man merkte, dass alle sehr begeistert waren. Nun berührte sie das
Meer. Es gab keine dunkle Nebelwand wie in den letzten Tagen. Immer mehr
versank sie, wir haben uns unbewusst an den Händen gehalten, so ergriffen waren
wir von diesem Moment. Langsam versank die letzte Sichel im Meer. Der ganze Himmel
war dunkelrot, als wenn er sich nicht von ihr trennen wollte. Wir haben noch
lange dort gestanden, es war das allerletzte Erlebnis auf unserem Hinweg. Zum
Glück habe ich alles mit der Kamera festgehalten. Diese Bilder werde ich mir
zuhause noch sehr oft ansehen, erinnern sie mich doch an einen sehr glücklichen
Moment in meinem Leben. Wir packten unsere Sachen ein und gingen zurück. Es war
nun tiefe Nacht geworden, erst kurz nach elf Uhr kamen wir an. Es waren keine
Pilger mehr angekommen und so brauchten wir keine Rücksicht zu nehmen. Wir
versuchten noch ein paar Stunden zu schlafen, unsere Möwe ließ es zu. Morgen
geht es dann zurück.
Finisterre — Camiño Chans
14,5 km, 300
m Aufstieg, 280 m Abstieg
Dienstag,
den 14. Juni 2011
U nsere
Nachtruhe war sehr kurz, schon um sechs Uhr standen wir auf, aßen eine
Kleinigkeit und gingen los, das Pilgerfieber hatte uns wieder gepackt. Der
Himmel war etwas bewölkt und es war kühl, genau das richtige Wanderwetter. Von
unserer Albergue aus, ging es bergab zum Hafen. Wir verließen Finisterre über
die Küstenstraße und erreichten nach 45 Minuten den herrlichen zwei Kilometer
langen Sandstrand, Playa de Langosteira. An diesen Strand verläuft sich
höchstens ein Pilger. Unser Weg bog von der Küstenstraße ab und es ging in den
Wald. Die Sonne war wieder unser Begleiter und wir freuten uns über den
Schatten der Eukalyptusbäume. Unsere erste Pause machten wir nach zwei Stunden
in Sardineiro. Wir hatten wieder Sicht auf das Meer, leider nur bis zum Ort
Estorde. »Komm Helga, wir setzen uns hier ins Café, lange haben wir diese
traumhafte Aussicht nicht mehr, auch geht es gleich wieder anstrengend hoch.
Wir haben Zeit, schauen auf den weißen Sandstrand und genießen die Sonne über
uns.« Es ging weiter, der Rucksack drückte bei jedem Meter den Berg hoch, aber
das war ja für uns kein neues Gefühl. Dafür wurden wir oben mit einem
herrlichen Blick über die Bucht belohnt. Langsam führte der Weg bergab, vorbei
an Alto de San Roque ging es runter nach Corcubión, ein kleines Küstenstädtchen
mit 1560 Einwohnern. Wir erreichten die zweite und letzte große Meeresbucht.
Das Hafenstädtchen steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Während der
Ölkatastrophe von 2002 verhinderten die Einwohner und freiwillige Helfer
mittels einer Barriere die Verseuchung der Bucht von Corcubión und Cée. Jedes
Jahr am 16. Juli veranstaltet der Ort eine feierliche Schiffsprozession zu
Ehren der Heiligen Carmen, Schutzpatronin der Seefahrer. Unser Pilgerweg ging
nun wieder über die Küstenstraße an der herrlichen Bucht Ria de Corcubión
vorbei. Auf dem Wasser der Bucht schwammen nicht zählbare, künstlich angelegte
Muschelbänke. Nach dreieinhalb Stunden kamen wir nach Cee. Es ist der größte
Ort hier am Meer und hat 3600 Einwohner. In der privaten Albergue »O Caminho
das Estrellas« mit 30 Betten bekamen wir Quartier und hatten Glück, direkt
daneben war ein Restaurant für unser Abendessen. Bei der letzten Pause hatten
wir uns Gedanken gemacht, was wir unbedingt einkaufen müssten. Unsere Getränke
waren ausgegangen und wir benötigen etwas für unser Frühstück. Helga ruhte und
ich suchte mir einen Supermarkt, danach
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