Wir - die Unsterblichen
waren, die zivilisierte und bequeme Erde zu verlassen, um das Leben dort mit dem Schicksal hier zu vertauschen.
Miranda war fern, also flirtete ich, so gut ich es verstand. Sie gingen auch alle darauf ein, als hätten sie sich verabredet, mir jeden Gefallen zu erweisen. Oder lag es nur daran, daß es von meinem Bericht abhing, ob sie ihren Zuschuß erhielten oder nicht?
Einer der Diplomaten nahm mich beiseite.
»Sie müssen das nicht so ernst nehmen«, meinte er wohlwollend. »Unsere Frauen sehen selten einen fremden Menschen, und da sie von Natur aus neugierig sind, nutzen sie eine solche Gelegenheit. Wenn sie Ihnen lästig fallen sollten, brauchen Sie es nur zu sagen …«
»Was fällt Ihnen ein?« fuhr ich den Unglücklichen an. »Sie sind unverschämt, und ich werde mich beim Regierungschef beschweren, wenn Sie mich nicht sofort in Ruhe lassen.«
Zuerst betrachtete er mich verwundert, dann zog er sich zurück. Später sah ich ihn mit anderen Siedlern zusammenstehen und heftig diskutieren. Sie warfen mir verstohlene Blicke zu. Ja, reden mußte man mit den Kerlen, damit sie gleich wußten, mit wem sie es zu tun hatten …
Sylvia war die Tochter eines reichen und einflußreichen Farmers, der mit seiner Familie die Ferien in der Stadt verbrachte. Sie gefiel mir besonders gut, und sie merkte das wohl. Jedenfalls zog ich ihre Gesellschaft jener der anderen Damen vor, und schließlich standen wir draußen auf dem Balkon, der zum Park hinausführte.
Donald besaß ein günstiges subtropisches Klima. Hier wuchs so ziemlich alles, was man in den Boden pflanzte; um so weniger verstand ich die angebliche Not der Siedler. Außerdem wirkte der Empfang am heutigen Abend nicht gerade ärmlich. Ich beschloß, ein wenig vorzutasten, ohne direkt Neugierde zu zeigen.
»Ein herrlich warmer Abend, Miß Sylvia, fast wie auf der Erde.« Ich legte den Arm leicht um ihre Schulter. »Kennen Sie die Erde?«
»Nein, leider nicht. Ich wurde auf Donald geboren.«
»Oh, wie gern würde ich Ihnen die Erde zeigen«, schwärmte ich, dachte aber dann erschrocken an Miranda. Die würde der Schlag treffen, wenn ich mit dieser knospenfrischen Schönheit bei ihr aufkreuzte und behaupten würde, lediglich im Auftrag der Behörde Entwicklungshilfe zu betreiben. »Leider ist das ja ganz unmöglich. Ihre Eltern würden Sie niemals fortlassen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum denn nicht? Wenn ich sie darum bitten würde, hätten sie kaum etwas dagegen einzuwenden. Sie würden es schon gestatten, um Ihnen gefällig zu sein Sir.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das unschuldige Mädchen hatte mit ihren Worten mehr gesagt, als sie eigentlich hätte sagen dürfen.
Bestechung also planten sie! Sie wollten zuerst einmal herausfinden, auf welchem Gebiet ich bestechlich war. Und welcher Mann würde einer so reizenden Versuchung wie Sylvia widerstehen können?
Außer mir keiner!
Wenigstens nahm ich mir das ernsthaft vor.
»Zuerst muß ich meine Arbeit erledigen«, wich ich aus. »Dann nehme ich Sie gern mit, wenn Ihre Eltern es wünschen.«
Sie hatte die versteckte Abfuhr bemerkt und wurde merklich kühler.
»Mir ist kalt. Gehen wir zurück zu den anderen.«
Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich nicht sehr diplomatisch benommen zu haben. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, vielleicht aber auch nicht. Sie wußten nun, daß ich unbestechlich war.
Sylvia kam auf das Thema nicht mehr zurück und verließ mich bald darauf. Immerhin gab sie mir das Versprechen, mich bei Gelegenheit im Büro aufzusuchen.
Ein etwas derber Typ – er war bestimmt kein Diplomat – fing mich an der improvisierten Hausbar ab.
»Hören Sie, Inspektor, trinken wir einen?«
Ich betrachtete ihn von oben bis unten, dann fiel mir ein, daß er vielleicht dumm genug sein könnte, mir einige Auskünfte zu geben. Gnädig nickte ich.
»Gern. Übrigens bin ich Oberinspektor.«
»Oh, Verzeihung. Macht ja nichts, oder …?«
Es machte eine ganze Menge, aber das brauchte er nicht zu wissen. Gehalt, Urlaub, Pension, Ansehen, Einfluß …
»Oberinspektor!« sagte ich bestimmt.
Er nickte und schob mir zwei Gläser zu, während er sich eine Flasche aus dem Regal angelte. Es war echter Bourbon, wie ich feststellen konnte.
»Meinetwegen, Oberinspektor. Ich bin Brodak, und mir gehört das meiste Land vor den Bergen am Fluß. Sie haben mich damals in die Stadtverwaltung gewählt, darum bin ich hier. Ich wäre lieber auf der Farm und paßte auf, daß die Mäuse mir nicht die
Weitere Kostenlose Bücher