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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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errichteten und verhinderten, dass sie auch nur ansatzweise umgesetzt werden konnten.
    In seiner Ungeduld kam er zu einer Unterredung mit einer Tüte frisch gebackener Kekse von Bäcker Tønnesen aus der Kirkestræde, aber auch damit bewirkte er nur das Gegenteil. Emma und Johanne wechselten Blicke. Er verschmähte also ihr Selbstgebackenes. Er war ein Verschwender. Und dann noch Kekse vom Möwenbäcker. Dachte er, sie wüssten
nicht, dass Tønnesen den Jungen in der Stadt Möweneier abkaufte, die sie auf den Werden draußen vorm Hafen sammelten? Und so etwas bot er ihnen an!
     
    Die Kekse waren eine diplomatische Katastrophe. Dann stieß er auf weitere Hindernisse.
    «Das ist zu unsicher», sagte Ellen Boye, als er vorschlug, ein neues Dampfschiff auf der Stahlschiffswerft zu bauen.
    Er erklärte, dass der Frachtmarkt gerade dabei war, sich zu erholen, und die Investition sich rasch amortisieren würde.
    «Ist damit nicht ein großes Risiko verbunden?», fragte Emma nach einer langen Pause, in der sie die Mümmelei an den Vanillekringeln wieder aufnahm. Er hörte, dass es keine Frage, sondern eine Feststellung war.
    Isaksen erklärte mit fester Stimme, dass sie ihm schon freie Hand lassen müssten, wenn sie ihm das Vertrauen erweisen wollten, das sie gezeigt hatten, als sie ihn einstellten.
    «Ja sicher, aber Sie haben doch vollkommen freie Hand», erwiderte Ellen mit einer gewissen Strenge in der Stimme. «Es ist nur so, dass die Zeiten so unsicher sind.»
    «Ich benötige eine Vollmacht.»
    Eine Vollmacht? Die drei Frauen sahen sich an und verstanden ihn nicht. Wieder befanden sie sich auf schwankendem Grund. Vertraute er ihnen etwa nicht?
    «Klara Friis sagt, dass …»
    «Klara Friis?»
    Isaksen erwachte aus der Apathie, die immer häufiger von ihm Besitz ergriff, wenn er sich in Gesellschaft der drei Witwen befand.
    «Was sagt Klara Friis?»
    Er ahnte plötzlich eine Verbindung.
    Was Klara Friis gesagt hatte, wurde nicht klar. Aber sie hatte etwas gesagt, und es hatte Eindruck hinterlassen, das spürte er. Worte wie «Unsicherheit» und «Risiko» schienen ihre bevorzugten Vokabeln zu sein. Klara Friis fütterte die Bauersfrauen in ihnen. Mit ihren Worten nährte sie das Misstrauen der Witwen und bestärkte sie in ihrer schlichten Lebensphilosophie, dass man durchaus weiß, was man hat, aber nicht, was man bekommt. Daher war es am besten, sich an das Bewährte zu halten.

    «Aber diese Philosophie hält doch nicht stand», entgegnete Isaksen verzweifelt. «Auch das Bewährte geht verloren, wenn man sich nur daran hält. So sind die Zeiten. Nur der, der sich ins Unbekannte wagt, hat die Chance, etwas zu erreichen.»
    «Ich verstehe nicht», meinte die groß gewachsene Ellen in einem verletzten Ton, «wir haben nichts dergleichen gesagt.»
    Er stellte fest, dass er laut mit sich selbst sprach und sie für einen Moment den inneren Dialog hatte mithören lassen, den er die ganze Zeit mit ihnen führte. Darin versuchte er sie zu überreden, ihn endlich das tun zu lassen, wozu sie ihn eingestellt hatten.
    Isaksen erhob sich und entschuldigte sich mit einem plötzlichen Unwohlsein. Er brauchte frische Luft. Er wusste, dass sie ihm mit den Blicken folgten und, sowie er aus der Tür war, ein Gespräch beginnen würden, das weitaus lebhafter war als alles, was er bisher erlebt hatte.
    Er trat auf die Havnegade, bog in die Prinsegade ein und klopfte an Klara Friis’ Tür. Ein Dienstmädchen mit steif gestärkter Schürze führte ihn ins Wohnzimmer. Klara Friis erhob sich aus dem Sofa. Er las mehr als nur Überraschung in ihrem Blick. Auch Erschrecken, als würde sie auf frischer Tat dabei ertappt, eine andere zu sein als die, für die sie sich ausgab.
    «Was wollen Sie?», entfuhr es ihr.
    Isaksen bemerkte, dass sie vergeblich versuchte, ihre Mimik in diese unbedarfte Vertrauensseligkeit zu zwingen, die sie ihm präsentiert hatte, als er sie das letzte Mal aufsuchte. Stattdessen signalisierte sie ihm Wachsamkeit, eine Alarmbereitschaft, die sein Misstrauen bestätigte und ihn direkt zur Sache kommen ließ.
    «Ich würde gern wissen, wieso Sie gegen mich arbeiten», sagte er. «Ich verstehe Ihre Beweggründe nicht. Ist es so, dass Sie mich als Rivalen ansehen? Als Schiffsreederin müssten Sie doch auch am Wohl der Stadt interessiert sein.»
    Er sprach mit ihr wie unter Ebenbürtigen und hoffte, dass es Eindruck machen und sie mit ihrem mysteriösen Spiel aufhören würde.
    «Sie reden, als wären Sie der

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