Wir Ertrunkenen
Ivar wie gelähmt war. Jetzt müsste er sich auf die Back werfen. Wenn das Schiff wieder eintauchte, würde er es nicht schaffen. Dies war sein Augenblick, so wie Herman ihn in Setubal gehabt hatte.
Doch Ivar hing dort, Wille und Muskeln waren gelähmt. Seine Fingerspitzen klammerten sich an den Bugspriet, als würde er sich in seiner Angst für ein Tier halten, das seine Klauen in das harte Holz schlagen und sich daran festhalten konnte.
In einer plötzlichen Eingebung hielt Herman die Hände an den Mund und brüllte ihm etwas zu.
«Nun spring endlich, Matrose, spring, zum Teufel noch mal!»
Er wusste nicht, ob er es tat, um Ivar aus seiner Lähmung zu reißen oder um ihn zu verspotten.
Das Schiff tauchte wieder ein. Als es sich aufrichtete, war Ivar verschwunden. Der leere Bugspriet wies einen Moment auf einen Punkt in den Wolken, als wäre er dorthin verschwunden und nicht in der schäumenden Gischt des Bugs.
Herman drehte am Ruder und ließ das Schiff in den Wind drehen. Der Himmelsflug des Bugs wurde aufgehalten.
Nun ging alles sehr schnell. Fräulein Kristina lief auf ihn zu.
«Du Schwein!», schrie sie halb erstickt. «Ich habe genau gesehen, was du …»
Dann konnte sie die Übelkeit nicht länger zurückhalten und erbrach sich in einem Strahl, der Herman mitten auf die Brust traf. Sie krümmte sich mit Magenkrämpfen zusammen. Diesmal traf der Strahl das Deck. Als sie sich keuchend wieder aufrichtete, hing ihr flüssige, gelbweiße Masse am Kinn.
Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen und verstörter Miene an. Ein Strom von Beschimpfungen kam aus ihrem Mund.
«Du Schwein, du Ungeheuer, du ekelhafter … du … du …»
Ihr Ausbruch endete in abruptem Stammeln, das wiederum von hemmungslosem Weinen abgelöst wurde.
Fräulein Kristina hatte verfolgt, was geschehen war, und sie war Kapitänstochter
genug, um die Bedeutung dessen zu verstehen, was sie beobachtet hatte. Sie hatte gesehen, wie Herman wieder auf Kurs ging, und sie wusste, was das bedeutete, wenn ein Mann sich in dieser Situation auf dem Bugspriet befand.
Und es stimmte ja, er konnte nicht leugnen, was er getan hatte. Dennoch würde er stets behaupten, dass sie im Irrtum war. Nicht er hatte Ivar das Leben genommen, sondern das Meer. Es war das Meer, das Ivar besiegt hatte, weil dieser im entscheidenden Moment zu schwach war. Das Meer hatte ihn genommen, weil er auf dem Meer nicht zu Hause war. Er, Herman, war lediglich das Werkzeug gewesen.
Es gab einen zweiten Zeugen. Helmer, der am Niederholer bereitgestanden hatte, als Ivar versuchte, den Außenklüver zu bergen. Doch er verstand nichts von dem, was er gesehen hatte, und sollte er doch behaupten, er hätte etwas begriffen, so gab es für Herman Mittel und Wege, ihm den Mund zu stopfen. Er konnte für nichts verantwortlich gemacht werden. Und dafür gab es einen guten Grund: Er hatte nichts getan.
«Mann über Bord!», brüllte er.
Sein Schrei stoppte den Ausbruch. Fräulein Kristina gewann ihre Fassung zurück. Sie zog den Sicherungssplint aus der Rettungsboje und warf sie ins Meer, um die Stelle zu markieren, an der Ivar verschwunden war. Knud Erik und Vilhjelm stürmten aus dem Logis.
«Wer? Wer?», riefen sie aufgeregt.
«Ivar!», schrie Helmer mit Panik in der Stimme.
Herman befahl ihm aufzuentern und Ausschau zu halten, ob Ivar auftauchen würde. Dann befahl er backzubrassen. Fräulein Kristina stand an der Reling und übergab sich erneut.
Diesmal ist es der Schock, dachte Herman.
Bager stürzte aus seiner Kajüte, Herman gab ihm einen kurzen Bericht. Mit Absicht gab er seiner Stimme einen tonlosen, nüchternen Klang.
«Ivar fiel vom Bugspriet über Bord. Er wollte den Außenklüver bergen.»
«Wie konnte das passieren? Haben Sie nicht in den Wind gedreht?»
«Selbstverständlich. Aber plötzlich war er weg.»
Herman zuckte die Achseln, eine Geste, die andeutete, dass das Unglück ganz allein Ivars Schuld war.
Knud Erik und Vilhjelm waren dabei, das Beiboot ins Wasser zu fieren. Bager lief zu ihnen und übernahm das Kommando. Dann sprang er selbst hinein. Herman sah Fräulein Kristina über die Reling klettern. Sie stieß sich ab und verschwand hinter der Bordwand.
Einen Augenblick später tauchte das Beiboot auf. Am Bug stand Fräulein Kristina mit wild flatterndem Haar und hielt wie ein erfahrener Seemann das Gleichgewicht. Noch immer hingen ihr Reste von Erbrochenem am Kinn. Bager saß zusammengesunken auf der hinteren Ruderbank. Knud Erik und Vilhjelm
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