Wir Ertrunkenen
bestätigte, dass es für den Sieg der Liebe niemals zu spät war. Die Natur hatte ihr Geschenk abgeliefert, und der wahre Vater hatte es aufgegeben: Ivar hatte aus dem Jenseits einen letzten Gruß in Form eines markanten Kinns, einer geraden Nase, einer klaren Stirn, dunklen Augenbrauen und schwarzer Haare geschickt.
Klara teilte ihre Freude. Als hätte Kristina dem Schicksal ein Schnäppchen geschlagen. Und doch war Klara zum Weinen zumute, als wäre sie erneut verlassen worden. Wenn wir unglücklich sind, sehnen wir uns nach der Gesellschaft anderer, denen es ähnlich geht, nach dieser bittersüßen Bestätigung, dass wir nicht leiden, weil wir glücklos sind oder die falsche Wahl getroffen haben, sondern weil es das Gesetz des Lebens ist. Klara hatte das Gefühl, dass ihr Schicksal nach diesem Tag schwerer zu ertragen war.
Ihr eigenes Kind war auf dem Unglücksschiff gewesen, allein mit einem Menschen, bei dem in Marstal niemand mehr zweifelte, dass er ein Mörder war. Knud Erik hätte tot sein können, und sie wusste, dass sie seinen Tod erlebt hätte wie sie Hennings und Alberts Tod erlebt hatte – als eine schmerzhafte Zurückweisung durch das Leben. Niemand wollte etwas von ihr wissen. Sie wandten sich ab, gingen in die Dunkelheit, in die Tiefe oder zur See – was dem Tod letztlich gleichkam.
Helmer und Vilhjelm waren zusammen mit Kristina nach Hause gekommen. Vilhjelm hatte die harte Reise über den Atlantik noch immer nicht überstanden. Und Helmer heulte laut los, als er seinem Vater und seiner Mutter gegenüberstand. Es begann eine Kaufmannslehre bei Minor Jørgensen.
Und Knud Erik?
Er war in Royan geblieben, um auf das Schiff zu achten, bis eine neue Besatzung angeheuert war. Klara ging davon aus, dass es sich um einen Befehl handelte. Sie besuchte den Reeder, den Bruder des verstorbenen Kapitän Bager, Herluf Bager. Sie hatte sich den Besuch als ein Treffen von Reeder zu Reeder, von Mann zu Mann vorgestellt. Das waren ihre eigenen Worte, bevor sie Bagers Büro in der Kongegade betrat.
«Ich verstehe gut, dass der Junge einiges durchgemacht hat», sagte Bager, der sich wieder in seinen ledergepolsterten Bürostuhl gesetzt hatte, nachdem er aufgestanden war, um sie zu begrüßen. Nun schien er mit dem Stuhl zu dem Bild einer unangreifbaren – und sie konnte es nicht anders bezeichnen –, männlichen Autorität verschmolzen.
«Aber einer musste doch zurückbleiben, um nach dem Schiff zu sehen.»
«Er ist erst fünfzehn!», rief sie.
«Er ist ein robuster Junge. Ich habe nur Gutes über ihn gehört. Selbstverständlich kann er jederzeit abmustern, obwohl das die Dinge für uns nicht leichter machen würde. Aber er hat nichts Dementsprechendes geäußert.»
Er schätzte sie mit den Augen ab, und sie verstand sofort: Wenn er ihrem Wunsch, Knud Erik nach Hause zu schicken, nicht nachkommen wollte, dann lag es an einem Punkt, den sie von Anfang an missverstanden hatte. Hier fand kein Treffen unter Reedern statt. Es war ein Treffen zwischen einer Frau und einem Mann, und eine besorgte Mutter hatte keine Ahnung von der Seefahrt.
Sie stampfte mit dem Fuß auf und ging, ohne sich zu verabschieden. Wenn er wollte, könnte er nun mit dieser Geschichte hausieren gehen. Ihre Machtlosigkeit ließ sie wütend werden. Für wen hielt er sich denn, dieser kleine, selbstzufriedene Fettsack? Sie könnte ihn ruinieren, ohne dass es ihr etwas ausmachte, sie könnte ihn unter ihrem Absatz zerquetschen, mit dem sie gerade auf den Boden gestampft hatte.
Dann beruhigte sich Klara wieder. Die Erregung wich der Nüchternheit. So ungewöhnlich war es nicht, dass sie Knud Erik nicht zur Vernunft bringen konnte. Die ganze Stadt hielt ja an dem Irrglauben fest, dass die Zukunft auf dem Meer zu finden sei. Und doch gab es dort nichts anderes als Verrohung und den kalten Tod durch Ertrinken.
Es kam ein Tag, an dem sie geglaubt hatte, Knud Erik sei tot.
Als sich zeigte, dass er noch lebte, beschloss sie, dass die Zeit reif war, um ihn selbst umzubringen.
Knud Erik war zwanzig Jahre alt, als er ihr in seiner üblichen wortkargen Art erzählte, dass er an Bord der København angemustert habe. Einige Monate später verschwand die große Bark auf einer Reise zwischen Buenos Aires und Melbourne und wurde überall gesucht; auf Tristan da Cunha, den Prince-Edward-Inseln und den Inseln von Neu Amsterdam. Nichts wurde gefunden, kein Namensschild, kein gekentertes Rettungsboot, kein Rettungsgurt.
Als die Liste mit den
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