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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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es gab einen Preis, den ich für mein Interesse an der Ankunft der Flying Scud zu bezahlen hatte. Ich musste meinen Brandy allein trinken.
     
    Die Flying Scud ging außerhalb Honolulus vor Anker. Ich stand am Strand, als Jack Lewis von seiner Besatzung, die aus vier Kanaken bestand, alle mit blauen Gesichtstätowierungen, an Land gerudert wurde. Ich bemerkte, dass einem der Kanaken ein Ohr fehlte.
    Ich erklärte mir es so, dass Jack Lewis niemandem traute und sich daher nur mit Eingeborenen umgab. Worüber konnte er mit diesen blauen Männern reden? Über nichts, vermutete ich. Sie hatten ihre Ziele im Leben, er hatte seine, und ihre Wege würden sich niemals kreuzen. Es war diese Art von Gesellschaft, die ein Mann vorzog, wenn es galt, ein Geheimnis zu bewahren.
    Jack Lewis war ein kleiner, vertrocknet aussehender Mann mit einer vom Passatwind und der hoch stehenden Mittagssonne am Äquator fast mahagonifarben gegerbter Haut. Sein Gesicht war voller Falten, und die Augen lagen tief, wie bei einer alten Meerkatze. Er trug einen verwaschenen Baumwollanzug mit nahezu verblichenen Streifen. Ein Strohhut verbarg sein Gesicht, außer er legte den Kopf in den Nacken, um zu seinem Gesprächspartner aufzuschauen. Dann hatte es den Anschein, als gäbe er eine Audienz.
    Auf den ersten Blick wirkte er unauffällig. Er sah überhaupt nicht aus wie ein Kapitän, ein bescheidener Händler vielleicht, und doch hafteten alle möglichen Gerüchte an ihm. Ich hatte bereits gelernt, dass
die bloße Erwähnung seines Namens jemanden zu einem Aussätzigen machte.
    Seine Männer zogen das Boot auf den Strand. Er stand daneben und starrte in den Sand, als wäre er in Gedanken versunken. Ich ging auf ihn zu und nannte meinen Namen. Er schaute auf. Ich sah ihm ins Gesicht, doch er schien sich nicht an den Namen zu erinnern, und wenn er es tat, zeigte er es nicht.
    Dann erwähnte ich Anthony Fox’ Namen, und er drehte mir den Rücken zu.
    Seine Männer standen abwartend hinter ihm und machten nicht den Eindruck, als hörten sie zu.
    «Ich bin nicht gekommen, um sein Geld zu holen», sagte ich. «Ich bin aus einem anderen Grund hier.»
    Er wandte sich um und blickte mich an.
    «Alle kommen wegen des Geldes. Welches andere Motiv kann ein Mann haben?»
    «Ich suche jemanden.»
    Er musterte mich mit einem abschätzenden Blick aus seinen engstehenden Affenaugen.
    «Madsen», sagte er dann. «Du bist Laurids Madsens Sohn.»
    «Ist das so leicht zu erkennen?»
    «Das ist so leicht auszurechnen. Nur ein Sohn würde nach einem Mann wie Madsen suchen.»
    «Wie muss ich das verstehen?»
    Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Spürte, wie der Zorn in mir aufwallte, ein Zorn, der sich mit der Furcht über das, was ich zu hören bekommen würde, mischte – und wenn sich Furcht und Zorn mischen, weiß man nie, was geschieht.
    Jack Lewis wich nicht zurück. Er starrte mich weiterhin mit seinen unergründlichen Augen an, und ich begriff, dass er ein Mann war, der gelernt hatte, andere allein mit seinem Blick zu beherrschen.
    «Hör mal zu», sagte er, «du bist jung. Du suchst nach deinem Vater. Wieso, verstehe ich nicht, aber es ist ja auch nicht meine Sache. Ebenso wenig wie Moral. Ich interessiere mich nicht für Gut oder Böse, und ich verurteile niemanden. Ich interessiere mich nur dafür, ob ein Mann für die Arbeit an Bord taugt.»

    «Und das tat mein Vater nicht?»
    Noch immer hatte meine Stimme diesen wütenden Klang. Mich trieb eine lächerliche Ehrenrettung meines Vaters. War es nicht ein Verbrecher, der hier stand und sich zum Richter über ihn aufschwang?
    «Als ich deinem Vater zum ersten Mal begegnete, erschien er mir ein Mann zu sein, der alles verloren hatte. Diese Art Männer ist in der Regel brauchbar, wenn man Geschäfte wie ich macht. Sie haben keine Illusionen. Sie sind Überlebende, und das Leben hat sie gelehrt, was wirklich zählt: Geld. Ich frage aus Neugier, du brauchst nicht zu antworten. Was hatte er verloren?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht.»
    «Familie? Vermögen? Oder diesen seltsamen Begriff der Ehre?»
    «Er hatte meine Mutter. Wir waren drei Brüder und eine Schwester. Er bekam die Arbeit, die er wollte. Er war ein geachteter Seemann.»
    Jack Lewis machte eine einladende Handbewegung.
    «Wir stehen hier am Strand. Lass uns in die Stadt gehen und etwas trinken.»
     
    Als wir uns ein paar Stunden später trennten, bemerkte ich zu meiner Verblüffung, dass ich Jack Lewis mochte. Er erinnerte mich an

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