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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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Geldes.»

    «Dem Strom des Geldes?»
    «Jack Lewis gehört zu der zweiten Sorte. Opium aus China, Waffen, Menschenhandel, nenn mir irgendeine Last, die dir einfällt, und mit Last meine ich nichts, das sich wiegen oder messen lässt, sondern eher ein Laster, und Jack Lewis bietet sich gern als dein demütiger Lieferant an. Folgt man dem Strom des Geldes, dann gibt es bestimmte Routen, an die man sich halten muss, und auf einer dieser Routen findest du Jack Lewis.»
    «Gib mir den Namen seines Schiffs.»
    « The Flying Scud. Es gibt allerdings eine Sache, über die du dir im Klaren sein musst, bevor du mit der Suche beginnst. Du musst dich entscheiden, was für ein Mann dein Vater war. War er von der Sorte, die nur eine Kokospalme sucht, in deren Schatten sie den Rest ihres Lebens auf dem Rücken liegend verbringen kann, oder kam er wegen des Reichtums hierher? Wenn er zu der ersten Sorte gehört, findest du ihn nie. Melanesien, Gilbert Island, die Gesellschaftsinseln, die Sandwichinseln, zehn Leben würden nicht ausreichen, um sie alle zu besuchen. In dem anderen Fall allerdings hast du eine Chance. Hierher kommt Jack Lewis nicht. Aber er ist irgendwo da draußen.»
    «Und wie finde ich ihn?»
    «Jedenfalls in keinem Schiffsregister. Jack Lewis ist der Typ Mann, der kommt und geht, ohne dass irgendeine Behörde ihn sieht. Aber er lebt im Gedächtnis der Menschen, so wie er in meinem lebt.»
    «Erzähl mir von den Schulden.»
    «Nur meinen Namen. Anthony Fox. Und eine Summe von eintausend Pfund.»
    «Eintausend!», entfuhr es mir. «Aber wieso hast du einem berüchtigten Schwindler eintausend Pfund gegeben?»
    «Gier ist wohl das richtige Wort, glaube ich», erwiderte Anthony Fox, ohne eine Miene zu verziehen. «Außerdem war ich auch nicht auf rechtmäßige Weise an das Geld gekommen. Es war sozusagen ein Darlehen von einem Gauner an einen anderen. Jetzt wandre ich auf dem schmalen Pfad der Tugend. Allerdings ausschließlich aus Mangel an Mitteln.»
    «Es ist eine verkehrte Welt», sagte ich, «die meisten werden zu Dieben aus Not.»
    «So war es ursprünglich auch bei mir. Ja, ich wurde sogar zu mehr als
nur zu einem Dieb, du darfst raten, wozu. Heute führe ich ein ehrliches Leben. Man hat ein Auge auf einen ehemaligen Sträfling. The Flying Scud. Nun hast du nicht nur den Namen eines Mannes. Du hast auch den Namen eines Schiffs.»
    «Und wenn ich es finde?»
    «Ich garantiere dir nicht, dass du deinen Vater findest. Aber du findest Jack Lewis. Ich habe keine großen Hoffnungen, dass ich mein Geld wiedersehe. Aber nun weißt du, dass Jack Lewis eine vogelfreie Beute ist. Du kannst mit ihm machen, was du willst, und du weißt, dass du meinen Segen dazu hast.»
    So unterhielten sich die Männer in Hobart Town, wie ein Gauner mit dem anderen. Ich dachte an die enorme Ausdehnung des Stillen Ozeans, den ich bereits einmal überquert hatte. Wer konnte schon beurteilen, was auf einem Schiff vor sich ging, Tausende von Seemeilen von Land entfernt – oder auf einer Insel, nicht viel größer als ein Schiff.
    Das Wort «Freiheit» war ein Begriff, den die Welt vor nicht allzu langer Zeit erst gelernt hatte, und ich hatte weit segeln müssen, um seine Bedeutung zu begreifen. In Hobart Town sah ich, wie die Freiheit von Männern benutzt wurde, die sich an ihre eigene Gier gekettet hatten. Die Freiheit hat tausend Gesichter, aber das Verbrechen auch. Mir wurde schwindlig bei dem Gedanken an all das, wozu ein Mensch fähig ist.
     
    «Honolulu», sagte Anthony Fox. «Ich empfehle dir, deine Suche in Honolulu zu beginnen.»
    «Wenn du weißt, wo ich ihn finden kann, wieso fährst du nicht selbst dorthin und holst dir dein Geld?»
    «Ich bin ein ehrlicher Mann geworden. Nur die Dummen stehlen von den Reichen. Die Klugen stehlen von den Armen. Das ist in der Regel sogar durch Gesetze geschützt.»
    «Aber du bestiehlst doch nicht die Armen?»
    «Nein, ich nutze bloß ihre Schwäche aus.»
    Er wies auf die Bar mit ihrer Flaschenbatterie.
    «Das ist profitabler und mit weniger Risiko verbunden. Die Flasche in der Hand ist besser als das Geld auf der Bank. So denkt der Arme.»
    «Ah ja. Bird-in-hand, das gilt auch für dich.»
    «Das gilt auch für mich.»

    Ich stand auf, um zu gehen.
    «Einen Augenblick.»
    Es war ein Trick, den er anwandte, er hielt seine Informationen bis zum Schluss zurück.
    «Es gibt da eine Sache, an die ich mich bei deinem Vater erinnere.»
    Ich schaute ihn an. Mein Herz hämmerte in der Brust.
    «Er sah

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