Wir Ertrunkenen
herrschte Ruhe. Es war Nacht, und um mich herum hörte ich die Atemzüge von Schlafenden. Ich starrte eine Weile in die Dunkelheit, bevor ich zurück in den Schlummer glitt.
Am nächsten Morgen nahm ich Abschied von den Kanaken. Wir gaben einander die Hand. Es war das zweite und letzte Mal. Mein ohrloser Retter legte seine Hand auf meine Schulter und sah mir in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick. Ein Band war zwischen uns geknüpft. Freundschaft konnte man es sicherlich nicht nennen. Wir hatten nie ein Wort miteinander gewechselt.
Nun sprachen sie zu mir. Jeder sagte ein Wort zum Abschied. Ich erinnere mich noch immer daran. Palea, Koa’a, Kauu. Das vierte Wort war länger. Ich glaube, es klang wie Keli’ikea, aber ich bin nicht sicher. Ich dachte zuerst, die Worte bedeuteten «Lebwohl». Später kam ich auf
den Gedanken, dass es vielleicht eher ihre Namen waren, die sie mir genannt hatten.
Ich ging hinunter zum Strand. Die Dünung rollte schwer herein. Doch die Luft war nicht mehr voll fliegendem Schaum. Überall abgebrochene Palmen und Teile von vom Sturm zerstörten Hütten. Ich begriff, wie glücklich wir uns schätzen konnten, dass die Hütte, die wir fanden, dem Sturm getrotzt hatte. Ich ging so nah wie möglich an die Brandung heran und spähte ängstlich über das Chaos, in das der Strand sich verwandelt hatte. Ich fürchtete, Wrackreste der Flying Scud zu finden, die die Lüge auffliegen lassen könnten, die ich mir zurechtgelegt hatte. Eine Rah, eine Planke, ein Ruder wären nicht schlimm, doch ein Namensschild würde alles zunichte machen. Meine Augen suchten den Horizont ab. Es gab keine Spur eines Schiffs auf dem Riff. Das Meer hatte die Flying Scud zerschmettert. Wo auch immer sich ihre Reste befinden mochten, sie lagen jedenfalls nicht hier am Strand von Apia verstreut.
Meine Schiffskiste war auf dem Holzfloß gewesen. Die Hoffnung, sie wiederzufinden, gab ich ebenfalls auf. Das war der Preis, den ich bezahlen musste, wenn ich nicht länger mit Jack Lewis in Verbindung gebracht werden wollte.
Ich hielt mich im westlichen Teil der Bucht, nahe Malinuu auf. So hatte ich es auf der Karte gesehen. Ich folgte dem Strand in östlicher Richtung, in der Hoffnung, auf ein Gebäude zu stoßen, das auf die Anwesenheit von Weißen hinwies. Bald entdeckte ich hinter den Palmen gemauerte Häuser mit roten Ziegeldächern und ging auf sie zu. Auch über diese wesentlich solideren Häuser war der Sturm nicht spurlos hinweggefegt. An einem Haus war der Giebel eingestürzt. An einem anderen hatte der Wind die Dachziegel weggerissen und nur die nackten Sparren zurückgelassen.
Die Bebauung schien nicht sonderlich dicht zu sein. Die Häuser drängten sich nicht entlang der Straßen, sondern lagen in Palmenhainen verstreut. Der Einruck von Wohlstand und Ordnung drängte sich mir bei diesen großen, weitläufigen Anwesen mit den weiß gekalkten Mauern, den überdachten Veranden und den breiten Traufen auf, die ihre Bewohner in reichem Maß mit dem Schatten versorgten, nach dem in den von der Sonne ausgedörrten Tropen alle so lechzen. Weiße und Eingeborene
arbeiteten geschäftig zusammen. Nach dem Sturm hatten die offensichtlich gut organisierten Aufräumarbeiten schon begonnen.
Ich lief ziellos umher und fühlte mich überflüssig und fremd, und so war es ja auch. Niemand nahm mich zur Kenntnis oder sprach mich an. Ich vermutete, dass sich viele der Menschen hier nur auf der Durchreise befanden. Es waren Händler, Seeleute oder Abenteurer wie ich.
An einem Haus leuchtete mir eine frisch geputzte Messingplatte von der hellen Mauer entgegen. Ich blieb stehen und las die Worte darauf. Ich nahm an, dass sich hinter der Mauer irgendeine Behörde verbarg, an die ich mich mit meinem lügnerischen Bericht über den Verlust der Johanne Karoline wenden konnte.
«Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft» stand dort.
Ich hatte die Worte gerade gelesen, als ich hinter mir ein Räuspern hörte. Ich drehte mich um.
Ein weiß gekleideter Herr betrachtete mich. Sein Anzug war makellos sauber und gebügelt. In seinem Knopfloch steckte eine frisch gepflückte Hibiskusblüte, als hätte er die vorhergehende Sturmnacht damit verbracht, sich für eine wichtige Verabredung zum Mittagessen fein zu machen. Unter der breiten Hutkrempe sah mich ein Paar heller Augen an, wobei ihr Besitzer die Hand an einen noch nicht sehr dichten Schnurrbart legte, der mit einem imponierenden Schwung zweier Halbbogen zu beiden Seiten
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