Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Aufzug. Sie machte, so schnell sie konnte, und hoffte innerlich, dass ihr Tempo keine Aufmerksamkeit erregte. Auf dem Weg sah sie zu ihrer Erleichterung, dass Märtha und Snille auf sie warteten. Märtha hatte Kratzes Rollator mit dem Wintermantel dabei, und so weit schien alles in Butter.
»Beeil dich!«, ermahnte Märtha sie, und als alle drei im Fahrstuhl standen, drückte sie schnell auf den Knopf ins Parterre. Unten angekommen, sahen sie sich vorsichtig um, ließen noch einem Besucher den Vortritt und begaben sich dann diskret in Richtung Ausgang. Snille nahm das Schild AUSSER BETRIEB wieder ab, doch dann überlegte er kurz und hängte es wieder auf. Danach gingen alle gemächlich zur Tür. Gerade als Märtha den Mantel anzog, rannten die ersten Polizisten hinein. Märtha, Snille und Anna-Greta machten höflicherweise Platz und ließen sie vorbei, dann gingen sie weiter und stiegen die Treppenstufen hinab. Anschließend schlugen sie den Weg zum Grand Hotel ein.
Die Polizisten aus dem zweiten Streifenwagen bemerkten die alten Leute noch, als sie aus dem Auto sprangen und ins Gebäude stürzten. Doch dann wurden sie gebremst. Der Fahrstuhl war außer Betrieb, weshalb sie alle nach oben laufen mussten.
21
Die Champagnerkelche leerten sich, und die Erdbeeren und Geléehimbeeren wurden aufgegessen. Die fünf Alten lallten noch immer durch die Suite und schwangen ihre Gläser, während sie von Zeit zu Zeit zu den Gemälden gingen und sie bewunderten.
»Stellt euch vor, hier kann man einen echten Renoir anfassen«, seufzte Anna-Greta andächtig und streichelte sanft über eine Seite des Bildes. »Das hätte ich mir nie träumen lassen.«
Den halben Tag lang hatten sie darüber diskutiert, welches Bild das bessere sei, doch sie wurden sich nicht einig. Märtha liebte den Monet heiß und innig. Sie wusste, dass im Museum noch mehr Bilder von ihm hingen, und spielte einen Augenblick lang mit dem Gedanken, die anderen auch noch zu klauen. Doch dann fiel ihr ein, was sie schon in mehreren Krimis gelesen hatte: dass es dumm war, seine Verbrechen zu wiederholen. Dabei wurde man sehr schnell überführt, und schließlich mussten sie erst das Lösegeld für die bereits gestohlenen Bilder in der Tasche haben. Sie schob den Gedanken beiseite und ging hinaus auf den Balkon, wo ihre Komplizen standen, das Champagnerglas in der Hand. Zufrieden betrachteten sie von oben das Chaos auf der Straße.
»Und das alles wegen uns«, sagte Stina und schaute hinunter. Das Nationalmuseum war weiträumig abgesperrt, Journalisten sprangen herum, Streifenwagen kamen und fuhren wieder, und einige Kamerateams filmten. Außerhalb der Absperrung stand eine Menschenmenge und glotzte.
»Da wird doch wohl nichts aus dem Nationalmuseum gestohlen worden sein«, sagte Anna-Greta und brach in ein derart heftiges Pferdewiehern aus, dass keiner der anderen noch ernst bleiben konnte. Dann prosteten sie sich fröhlich zu und schwangen dort oben auf dem Balkon sogar ein wenig das Tanzbein. Doch als die Polizei wieder abgefahren war, wurde es ihnen langweilig, und sie gingen zurück in ihre Suite. Kratze und Snille wollten vor dem Essen noch saunieren, und währenddessen setzten sich die Frauen aufs Sofa und betrachteten Stockholm durch das riesige Panoramafenster. Stina hatte gerade mit einem Aquarell vom Schloss angefangen, und Anna-Greta entspannte sich mit einem Sudoku-Rätsel. Märtha beobachtete die beiden. Sie waren beneidenswert ruhig. Sie selbst konnte sich überhaupt nicht entspannen, denn ihr war plötzlich etwas eingefallen: Wo sollten sie die Bilder verstecken, bis sie das Lösegeld kassiert hatten? Als sie noch jung war, war es nie vorgekommen, dass sie etwas vergaß. Und sie hatte an vieles gleichzeitig denken können. Heute war das anders, und die Frage nach dem Versteck war ihr völlig entgangen.
Sie stand auf und ging ins Schlafzimmer, wo die Bilder am Bettgestell lehnten. Vielleicht kam ihr eine Idee, wenn sie sie lange genug anstarrte? Nein, im Gegenteil. Während sie dort ausharrte, wuchs nur die Unruhe. Sie war diejenige gewesen, die den Plan ausgeheckt und die anderen dazu überredet hatte, dann war es auch an ihr, die Sache raffiniert zu Ende zu bringen. Wo um alles auf der Welt sollten sie die Bilder unterbringen? Den ganzen Tag lang hatten sie die Polizeibeamten im Museum ein und aus gehen sehen, es war nur eine Frage der Zeit, wann sie ins Hotel kämen, um Zeugen zu finden. Vielleicht würden sie sogar eine Hausdurchsuchung
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