Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
selbst hätte auch nichts gegen ein bisschen Aufmerksamkeit von seiner Seite gehabt, und ihr ging nicht in den Kopf, warum er sich gerade für Stina interessierte. Sie selbst war doch viel intelligenter und gebildeter und hatte in einem großzügigen Haus am Strandvägen gewohnt. Und sie wusste über vieles besser Bescheid als die Freundin. Aber offensichtlich spielte das keine Rolle. Der Geschmack der Männer war sonderbar. Wie gerne hätte sie sich mit einem passenden Kandidaten verheiratet, doch leider hatte ihr nie der richtige den Hof gemacht. Ihre große Liebe hatte sie getroffen, als sie studierte. Er kam aus einer Arbeiterfamilie, und deshalb war ihr Vater dazwischengegangen und hatte jeglichen Umgang verboten. Sie sollte jemanden zum Mann nehmen, der eine gute Ausbildung oder wenigstens Vermögen hatte, war seine Meinung gewesen, und am Ende wurde überhaupt nichts daraus. Ein paar Jahre lang hatte sie mit dem Gedanken gespielt, eine Kontaktanzeige aufzugeben, doch jedes Mal, wenn sie kurz davor gewesen war, fehlte ihr am Ende der Mut. Sie seufzte und ergoss sich in Selbstmitleid, doch dann fiel ihr die Sache mit der Kreuzfahrt nach Finnland wieder ein. Vielleicht ließ sich auf dem Schiff ja ein netter Witwer auftreiben …
»Sitz nicht da und träum, Anna-Greta, wir müssen jetzt unseren Brief fertigschreiben«, sagte Märtha.
Die fünf setzten sich an den Tisch. Sie holten sich noch eine Flasche Champagner, ein paar Nüsse und Erdbeeren, und dann begannen sie, eine Mitteilung zu entwerfen, die kurz und bündig war. Obwohl es sich nur um wenige Sätze handelte, nahm es viel Zeit in Anspruch, und erst, als die Champagnerflasche leer war, hatten sie einen Text verfasst, der allen gefiel. Während Anna-Greta fröhlich vor sich hin summte, schnitten sie die Buchstaben sorgfältig aus und klebten sie auf ein A4-Blatt.
Renoirs »Konversation« und Monets »Motiv von der Scheldemündung« sind in unserem Besitz. Die Gemälde werden gegen ein Lösegeld von nur 10 Millionen Kronen zurückgegeben. Das Geld soll am 27. März bis 16 Uhr auf dem Schiff »Silja Serenade« der Reederei Silja Line in zwei schwarzen Einkaufstrolleys der Marke »Urbanista« deponiert werden. Weitere Anweisungen folgen. Sobald wir das Geld erhalten haben, werden die Bilder dem Museum wieder ausgehändigt. PS: Wenn Sie die Polizei verständigen, werden wir die Bilder zerstören.
Stina hätte Lust gehabt, mit ihrem eigenen Namen zu unterzeichnen, doch die anderen konnten sie davon abhalten. Sie lasen den Text noch einmal durch und summten dabei. Anna-Greta war stolz, dass sie hineingeschrieben hatte »nur« zehn Millionen. Den Leuten vom Museum sollte klar sein, dass sie einen guten Deal machten, andere Diebe verlangten sicher viel höhere Summen. Märtha allerdings war nicht ganz zufrieden.
»Klingt das nicht ein bisschen zu lieb für richtige Kriminelle?«, überlegte sie. »Geben Kunstdiebe die gestohlenen Bilder selbst zurück, müssen die nicht eher irgendwo abgeholt werden? Ich meine, sollten wir den Text nicht noch ein bisschen verschärfen, damit sie nicht denken, sie haben es mit Amateuren zu tun?«
»Aber wenn wir freundlich sind, sind sie vielleicht eher geneigt zu bezahlen«, wand Stina ein.
Dem stimmten die anderen zu, und so einigte man sich schließlich darauf, den Brief genau so abzusenden. Da sie sich nicht trauten, Briefpapier und Kuvert vom Grand Hotel zu benutzen, klebten sie einfach aus einem weißen Papier einen Umschlag, schrieben die Adresse des Nationalmuseums darauf und frankierten ihn. Natürlich trugen sie dabei Handschuhe.
»Eigentlich hätten wir nur die paar Meter hinüberlaufen und den Brief selbst einwerfen müssen, dann hätten wir das Porto gespart«, sagte Anna-Greta, doch da wurde sie von Buh-Rufen überhäuft.
Kurz darauf brachte Märtha den Brief zu einem Briefkasten in der Nähe der U-Bahn. Sie betrachtete den Briefschlitz eine Weile, ehe sie den Brief schließlich einwarf. Als sie ein paar Male auf den Briefkasten klopfte, wurde ihr schlagartig bewusst, wie nervös sie war. Jetzt ging es nicht mehr nur um einen kleinen, belanglosen Diebstahl. Sie hatten sich für ein Verbrechen entschieden, und nun gab es kein Zurück mehr. Sie waren kriminell geworden. Auf dem Heimweg ließ sie sich das Wort auf der Zunge zergehen. Kriminell … das klang ganz schön spannend! Ihr war tatsächlich nach Tanzen zumute, trotz ihres Alters, plötzlich packte sie eine Begeisterung, die sie aus ihrer Jugend
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