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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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wie das Kribbeln im Hintern, an das ich mich langsam gewöhne. Allerdings ist es unvermeidlich, dass sich das auf die Blase überträgt und mich zu häufigen und langen Pinkelpausen zwingt. Die Via Claudia Augusta erweist sich als eine veritable Einführung in die wunderschöne Voralpenlandschaft.Nach etwa vierzig Kilometern legen wir in Lechbruck am See eine Essenspause ein, und dort habe ich weniger eine Vorahnung als eine Vorwarnung, da ich in der Nähe der Stelle, wo wir uns stärken, ein Fahrrad entdecke, das mit einem Platten an einem Gatter lehnt. Wir könnten das Flößermuseum besuchen, das der Geschichte dieses heiteren Ortes am Ufer des Lechs gewidmet ist, doch der Anblick des Sees und das Thema der Flößerei würden letztlich sicher erneut eine harntreibende Wirkung haben. Also wieder in den Sattel in Richtung Füssen!
    Unsere Fahrräder funktionieren prächtig, und wir fahren, jeder in seinem Rhythmus, in aller Ruhe durch die Landschaft von Roßhaupten. Schade, dass der Himmel sich im Vergleich zu heute Morgen eingetrübt hat. Aber wenigstens regnet es nicht, die Fahrt ist unterhaltsam, wir lachen uns halb tot und sind glücklich.
    Vielleicht hat das zynische Schicksal deswegen beschlossen, sich auf dem Höhepunkt unseres Vergnügens gegen uns zu verschwören? Vielleicht müssen wir deswegen mitten in unserem Fahrradorgasmus wegen eines verdammten Platten an meinem Hinterreifen anhalten?
    Ich kann gerade zweimal die Pedale treten, um mich zu vergewissern, dass es sich tatsächlich um einen geplatzten Reifen handelt, als Kamikaze-Jutta mich auch schon aus vollem Halse anschreit:
    Â»Hör auf! Beweg dich nicht! Bist du verrückt geworden? Du ruinierst ja den Reifen!«
Tatsächlich drängt der Schlauch bereits aus dem Mantel und ist im Begriff, sich unentwirrbar in die Radachse zu verwickeln. In solchen Fällen lasse ich mich nicht von Panik übermannen
(ich!),
gerade weil die Angst mich daran hindern würde, aktiv und produktiv zu werden und – wie in diesem Fall – eine Lösung zu finden. Jedenfalls hat derUnterzeichnete, während Jutta weiterhin wie ein Rohrspatz schimpft, mit scheinbar bodenständiger Gelassenheit das Fahrrad umgedreht und das Miniwerkzeug herausgeholt. Juttas »Verzweiflung« ist ebenso eine Plage wie das Muhen der Kühe auf der Weide. Um mich herum wütet in diesem Augenblick ein hysterischer Hagel gebrüllter Fragen:
    Â»Werden wir jetzt imstande sein, den Schlauch zu wechseln?«
    Â»Mmmmhhhh.«
    Â»Mit diesem lächerlichen Werkzeug?«
    Â»Mmmmmhhh.«
    Wie ich mein Bianchi hasse! Warum zerstört es einen so schönen Augenblick? Ich beschließe, mich von Jutta und den Kühen abzukapseln, um mich mit einem anderen als mir zu verbinden, der mich auf den Boden zurückholt und mir die nötigen Erklärungen gibt. Ich beschließe, einen – wenn auch surrealen – Dialog mit meinem Fahrrad zu führen.
    Â»Okay, die Reifen sind nicht sehr dick, aber nicht ich habe dich hergestellt!«
    Â»Du bist sperrig und schwer, mit dieser Scheißkamera, die du mit dir schleppst!«
    Â»Nein, deine Stangen sind voller Blei statt aus Aluminium!«
    Â»Du schaffst es ja nicht mal, mich aufzubocken, und umklammerst mich, als müsstest du einen Sack Kartoffeln hochstemmen!«
    Â»Konntest du nicht warten, musstest du ausgerechnet jetzt eine Reifenpanne bekommen?«
    Â»Warum bist du auch wie ein Verrückter die letzte Bergabstrecke hinuntergerast? Anstatt die Bremsen zu ziehen und die Geschwindigkeit so weit wie möglich zu drosseln,bist du durch jedes gottverdammte Schlagloch auf der Strecke gerast und hast sogar an zwei Stellen meinen Rahmen verkratzt!«
    Â»Na und? Wenn ich bergab fahre, genieße ich den Rausch der Geschwindigkeit. Ich liebe es, den Fahrtwind im Gesicht und den Geruch des Splitts in der Nase zu spüren.«
    Â»Ich bin kein Mountainbike und nicht dafür geschaffen, von dir so strapaziert zu werden! Klar? Ein kleiner Satz, okay, aber du trittst in die Pedale wie ein Besessener!«
    Ich hätte nicht gedacht, dass das Wechseln eines Reifens schwieriger ist, als ein Ikea-Regal zusammenzubauen – und das will was heißen. Keiner hatte uns erklärt, dass man, um eine Speiche entfernen zu können, erst den Reifenmantel und den Schlauch abnehmen muss und dass man, um den Mantel zu entfernen, zuerst

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