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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

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Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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nämlich nicht tust, könnte es durchaus sein, daß du bis in alle Ewigkeit als Wasserfall endest. Das gefiele dir doch bestimmt nicht, habe ich recht?«
    Loge stimmte dem König der Götter erneut zu, und Wotan wollte dieses Thema gerade weiter ausführen, als es plötzlich zu regnen aufhörte. Die Wolken lösten sich auf, und die mit voller Kraft scheinende Sonne malte einen farbenprächtigen Regenbogen ans blaue Firmament.
    »Wer hat dir gesagt, daß du einfach aufhören darfst zu regnen?« kreischte Wotan. »Ich will Blitze! Sofort!«
    Der Himmel reagierte nicht, und Loge wurde kreidebleich vor Angst. Fast jeder Mensch hat seine ganz eigene Phobie, und Loge fürchtete sich entsetzlich vor Fischen. In einen Wasserfall verwandelt, würden den ganzen Tag Lachse an ihm hochspringen, und er hätte am liebsten um Regen gebetet, wenn er nicht selbst ein Gott gewesen wäre. Aber der Himmel blieb unbewölkt.
    »Das reicht!« Wotan schlug sich mit der rechten Faust gegen die linke Handfläche. »Wenn ich nicht einmal mehr meinen eigenen Regen regnen lassen darf, weil dadurch das Getreide zerstört wird, dann ist es an der Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.« Einen Augenblick lang stand er regungslos da, dann drehte er sich zu Loge um und fauchte ihn an: »Bist du etwa immer noch da?«
    »Ich bin schon unterwegs«, antwortete Loge ängstlich und hüpfte verzweifelt auf dem Kickstarter des Motorrads herum. »Keine Sorge, ich werde ihn finden.«
    Kurz darauf schoß Loge davon, und Wotan starrte wütend die Sonne an. Die beiden pechschwarzen Raben schwebten herab und setzten sich auf das Geländer.
    »Schönes Wetter heute«, sagte Gedanke, was allerdings aus verständlichen Gründen beim König der Götter nicht gut ankam.
    »Irgendwelche Ergebnisse?« zischte Wotan.
    »Bis jetzt noch nichts, Chef«, entgegnete Gedächtnis.
    »Wo habt ihr gesucht?«
    »Überall, Chef. Aber wie sollen wir den Ringträger ausfindig machen? Wir können ihn weder sehen noch seine Gedanken lesen oder irgendwas anderes in der Art.«
    »Gott, gib mir die Kraft!« Wotan ballte die Faust und versuchte, sich zu entspannen. »Dann müßt ihr dämlichen Vögel eben sämtliche Menschen auf der Welt durchgehen, einen nach dem anderen. Sobald ihr jemanden gefunden habt, dessen Gedanken ihr nicht lesen und den ihr nicht sehen könnt, dann habt ihr ihn. So einfach ist das. Ich habe gedacht, das sei klar!«
    Gedanke blickte Gedächtnis an. Gedächtnis blickte Gedanke an. »Aber das würde ja Wochen dauern, Chef«, bemerkte Gedanke vorwitzig.
    »Und wie sieht euer Plan dann aus?«
    Die beiden Raben schlugen mit den Flügeln und hoben kommentarlos ab. Einen Augenblick lang kreisten sie in der Luft, dann flogen sie in die Welt hinaus. Sie flogen den ganzen Tag, fegten in weiten Kreisen über alle Länder, bis Gedächtnis plötzlich herabschoß und neben dem Rheinufer landete.
    »Unser Chef kann mich mal. Warum fragen wir nicht einfach die Mädchen?« schlug er Gedanke vor.
    »Gute Idee«, stimmte Gedanke ihm zu. »Ich frag mich, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin.«
    »Wahrscheinlich ist es dir aus dem Gedächtnis gerutscht.« Die beiden Vögel hoben wieder ab, aber diesmal flogen sie nur ein paar Kilometer flußabwärts, zu einer Stelle, wo vor etwa tausend Jahren ein gewisser Alberich Rast gemacht und drei hübsche Mädchen beim Baden im Fluß beobachtet hatte. Die Raben landeten in einem verdorrten Baum und legten die Flügel an.
     
    Unter dem Baum sonnten sich gerade drei junge Mädchen, und für sie hatte sich die Sonnengöttin die kostbarsten Strahlen der abendlichen Frühdämmerung aufbewahrt, weil sie ihre Freundin war.
    »Floßhilde!« rief eins der Mädchen. »Da oben im Baum sitzt ein Rabe, der dich angafft.«
    »Ich hoffe, ihm gefällt, was er sieht«, antwortete die Rheintochter mit träger Stimme.
    Wellgunde, die älteste und ernsthafteste von den dreien, rollte sich auf den Bauch und schob die Sonnenbrille ein Stück höher. »Hallo, Gedanke! Hallo, Gedächtnis! Habt ihr ihn schon gefunden?«
    Die Raben blieben stumm und zupften verlegen mit den Schnäbeln an ihren harten Federn. Die Mädchen kicherten.
    »Aber ihr müßt den Ring ja schon seit einer Ewigkeit suchen«, lästerte Woglinde, das jüngste und frivolste der drei Mädchen. »Irgendwo muß er schließlich sein.«
    »Ich verliere auch andauernd was«, bemerkte Floßhilde. »Könnt ihr euch daran erinnern, wo ihr ihn zum letztenmal gesehen habt?«
    »Seid ihr euch sicher, daß ihr

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