Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
unterbringen konnte. Die Fenster waren in zahllosen Fernsehberichten in den Himmel gelobt oder verunglimpft worden. Die Küchenräume waren riesig und konnten zu allem möglichen genutzt werden, am wenigsten eigneten sie sich jedoch zur Zubereitung von Speisen. Das Anwesen selbst war sehr vornehm, sehr protzig und sehr leer.
In Combe Hall zu leben, davon hatte Malcolm immer nur zu träumen gewagt, also stets unter der strikten Voraussetzung, daß sein Wunsch niemals wahr würde. Jetzt, da er Eigentümer des Anwesens und dessen einziger Bewohner war (neben einer ganzen Armee von Bediensteten), kam er sich eher wie ein hilflos umherirrender Reisender auf einem internationalen Flughafen vor. Das Haus allein war schon schlimm genug, aber zusammen mit dem Dienstpersonal war es wirklich schrecklich. Weder gab es einen zuvorkommenden, redegewandten Butler noch irgendein hübsches Dienstmädchen. Statt dessen mußte Malcolm feststellen, daß er Heerscharen von streng nach Vorschrift arbeitenden Reinemachefrauen und einen puertoricanischen Koch beschäftigte, bei dem er sich sicher war, daß dieser auf die eine oder andere Weise, die Malcolm selbst nicht genauer bestimmen konnte, schamlos ausgebeutet wurde. Nach einer Woche gab er es auf, Anweisungen zu geben, und zog sich in einen der oberen Salons zurück, den er in ein recht spärlich eingerichtetes Wohnschlafzimmer verwandelt hatte.
Folglich verspürte er nie die Verpflichtung, die Rolle des Gutsbesitzers anzunehmen. Zu dem Haus gehörten ein riesiger Park, einige wunderschön angelegte Gärten – in die sich Malcolm aus Angst, er könnte bei den Gärtnern Anstoß erregen, kaum zu gehen traute – und ein Bauernhof. Seit seiner frühesten Jugend hatte er im Fernsehen stets die Waltons gesehen – nicht einmal freiwillig, sondern weil sie damals ständig in der Glotze zu sehen waren und für ihn so etwas wie eine Ersatzfamilie dargestellt hatten –, und seine Vorstellung von der Landwirtschaft war durch den Einfluß dieser Serie stark geprägt worden. Auf dem Bauernhof, der ihm persönlich gehörte (welch ein Gedanke!), schwirrte und dröhnte es allerdings von Maschinen und klickte und surrte es von Computern, was seinen Besitzer mit Furcht und Erstaunen erfüllte. Als er dem Leiter des Bauernhofs vorschlug, die landwirtschaftlichen Gebäude und Nutzflächen lieber wieder etwas malerischer und idyllischer zu gestalten, ohne dabei an den Profit zu denken, den sowieso niemand brauchte, starrte dieser Malcolm nur an, als sei der neue Gutsherr verrückt geworden. Seither mischte sich Malcolm auch auf diesem Sektor nicht mehr ein.
Dennoch hatte er mit seinem neuen Besitz auch gewisse unausweichliche Verantwortungen übernommen, von denen das Zurechtkommen mit seiner neuen Sekretärin die am schwierigsten zu bewältigende Aufgabe war. Auf der einen Seite war diese Frau unbezahlbar, weil sie den ganzen Laden schmiß und ihren Arbeitgeber die meiste Zeit des Tages in Ruhe ließ. Da er sich mit den Unannehmlichkeiten und Plagen des Alltags nicht abgeben mußte, konnte er seine grundsätzlich gute Laune beibehalten und den Mais in ganz Afrika zu Rekordernten heranwachsen lassen. Für diese Befreiung von den alltäglichen Sorgen mußte er allerdings einen hohen Preis bezahlen: Seine Sekretärin, eine amerikanische Mittvierzigerin, war offenbar wild entschlossen, englischer zu sein als irgendwer sonst in der Menschheitsgeschichte. Ihre fast religiöse Begeisterung für alles Englische verlieh ihr einen missionarischen Eifer, und es war offensichtlich, daß sie den jungen Herrn Finger aus Deutschland auf Teufel komm raus anglisieren wollte. Wie die meisten Missionare scheute sie dabei vor nichts zurück, wenn es um die Sache der Aufklärung ging.
Außer dem Hauspersonal und der Sekretärin und allem anderen, was einem womöglich nichts als Unannehmlichkeiten und Ärger bereitete, aus dem Weg zu gehen, hatte Malcolm nach seinem Dafürhalten allerdings nur wenig zu tun. Schon als kleiner Junge hatte er nie ein Hobby gehabt. Damals wie heute fand er es wenigstens ebenso schwierig, Freundschaften zu schließen wie ein Puzzlespiel zu lösen – zur großen Erleichterung und zum Trost seiner Familie hielt er ersteres aber vor allem für weniger lohnenswert. Falls er durch ein Wunder seine Verwandtschaft dazu bringen könnte, ihm diese lächerliche Geschichte von Ringen und Dachsen zu glauben, so kannte er bereits deren Reaktion, ohne darüber nachdenken zu müssen. Seine Mutter würde
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