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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ihn nicht irgendwo in der Tasche stecken habt?«
    »Habt ihr ihn vielleicht irgendwo versteckt und könnt euch nicht erinnern, wo?«
    Seit mehr als tausend Jahren hatten sich Wotans Raben das gefallen lassen müssen, aber es machte sie immer noch wütend. Die Mädchen lachten erneut, und Gedächtnis errötete unter seinem Federkleid.
    »Wenn ihr den Träger des Rings nicht bald findet«, stichelte Floßhilde mit einem Gähnen und kämmte sich dabei das lange goldblonde Haar, »dann wird er euch genauso aus den Krallen entwischen wie unser kluger alter Freund Ingolf. Übrigens hatte sich der phantasievolle Ingolf als Dachs verkleidet.«
    »Sobald der Neue den richtigen Dreh mit dem Tarnhelm erst mal raushat, wird ihn sowieso niemand mehr finden«, säuselte Woglinde. »Wie peinlich das für euch sein muß.«
    »Ich wünsche ihm alles Gute«, meinte Wellgunde. »Wen interessiert dieser langweilige alte Ring überhaupt?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, über wen oder was ihr euch eigentlich auf so dämliche Weise lustig macht«, mischte sich Gedächtnis endlich ein. »Eigentlich ist es ja euer Ring, nach dem wir suchen.«
    »Ach, vergiß das Ding!« winkte Woglinde ab. »Es ist so ein schöner Tag, die Sonne scheint, das Getreide wächst …«
    Während Gedächtnis bei diesen Worten zusammenzuckte, kicherte Floßhilde.
    »… und es ist schon so lange her, seit sich Alberich das Mistding unter den Nagel gerissen hat, daß es uns mittlerweile überhaupt nicht mehr interessiert. Stimmt’s, Mädchen?« Woglinde wackelte aufreizend mit den Zehen, und zwar auf eine Weise, die seit Tausenden von Jahren etwas sehr viel Angenehmeres als unermeßlichen Reichtum versprach. »Was sollen wir mit Gold anfangen, solange wir euch zur Unterhaltung haben?«
    »Das könnt ihr euch für die männlichen Wesen der menschlichen Spezies aufsparen«, zischte Gedächtnis.
    »Ich frage mich, wie er wohl aussieht«, seufzte Wellgunde. »Ich wette, er sieht sehr gut aus.«
    »Und er ist stark.«
    »Und heldenhaft. Vergeßt nicht, heldenhaft.«
    »Helden konnte ich noch nie widerstehen«, schwärmte Wellgunde, wobei sie unter ihren wunderschönen Wimpern hervor aufmerksam die Raben beobachtete.
    »Eigentlich sind wir hergekommen, weil wir euch erzählen wollten, daß uns etwas zu Ohren gekommen ist«, sagte Gedanke. »Aber da ihr nicht mehr daran interessiert seid …«
    Wellgunde gähnte, wobei sie sich anmutig die Hand vor den Mund hielt. »Du hast recht, das sind wir wirklich nicht«, seufzte sie. Dann drehte sie sich auf den Rücken und nahm sich eine Illustrierte.
    »Uns ist aber etwas sehr Interessantes zu Ohren gekommen«, ließ Gedächtnis nicht locker.
    »Also gut«, willigte Floßhilde mit einem betörenden Lächeln ein, »wenn ihr unbedingt müßt, erzählt es uns.«
    Selbst Wotans Raben, die (zunächst einmal) unsterblich und (erst in zweiter Linie) Vögel sind, können dem Lächeln der Rheintöchter kaum widerstehen. Aber da Gedächtnis nur bluffte, scherte ihn das herzlich wenig, und er sagte verschmitzt: »Ich habe nicht gesagt, daß wir euch sagen wollen, was uns zu Ohren gekommen ist, sondern nur, daß uns etwas zu Ohren gekommen ist.« Verschmitzt zu sein, ist für einen Raben nicht einfach, aber Gedächtnis hatte darin einige Erfahrung gesammelt.
    »Ach, jetzt haut schon ab!« schimpfte Floßhilde und bewarf die beiden Boten mit Apfelsinenschalen. »Ihr nehmt uns mal wieder nur auf den Arm.«
    »He, wartet doch!« rief Gedächtnis ihnen halbherzig hinterher, als die drei Mädchen aufsprangen und elegant wie Delphine ins Wasser eintauchten.
    »Wir wissen was, was ihr nicht wißt«, sang Floßhilde, und die Sonnengöttin ließ das Wasser im wellenden Haar der Rheintochter glänzen. Dann verschwand sie und ließ nur einen Streifen silbern glitzernder Luftblasen zurück.
    »Ich verstehe das nicht«, stöhnte Gedanke. »Frauen!«
    Die Raben schlugen mit ihren schweren Flügeln, kreisten verdrossen eine Weile in der Luft und flogen davon.
     
    Kurz nachdem Floßhilde auf den Grund des Rheins getaucht war, sprangen durch einen merkwürdigen Zufall drei identisch aussehende Mädchen aus dem schlammigen und übelriechenden Wasser des Tone, und zwar an einer Stelle, wo der Fluß durch das Zentrum von Taunton fließt. Ein paar Passanten blieben stehen und starrten sie verdutzt an, zumal die drei Mädchen weit sauberer waren, als es jemandem zustand, der in letzter Zeit auch nur das geringste mit dem Tone zu tun gehabt hatte. Aber das

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