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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

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Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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alles, was die Sonne konnte, konnten die beiden anscheinend besser.
    »Na gut, dann glaubst du’s mir eben nicht. Ist mir doch egal. Aber ich weiß genau, daß er da unten ist. Ich habe eindeutig gehört, daß der Ring gerufen hat.«
    »Das war wahrscheinlich Radio Bristol«, zischte Gedächtnis, der durch seine Erschöpfung leicht reizbar geworden war.
    Schweigend beendeten die beiden ihren Rundflug über den Grafschaften Somerset, Avon und Devon. Schließlich waren sie mit ihren Kräften am Ende und ließen sich auf dem Reetdach einer Scheune in der Nähe von Dulverton nieder.
    »Wieso kannst du den Ring überhaupt hören?« wollte Gedächtnis wissen. »Ich kann’s jedenfalls nicht.«
    »Ich eigentlich auch nicht. Das klappt nur ab und zu mal. Aber es dauert nie lange genug, um seinen Aufenthaltsort ganz genau bestimmen zu können.«
    Eine tollkühne Fledermaus flatterte neugierig auf die beiden zu, weil sie wissen wollte, um wen es sich bei diesen Fremden handeln könnte. Als sich die beiden Raben zu ihr umdrehten und sie anstarrten, erschrak sie fast zu Tode.
    »Falls es um die Funklizenz geht, der Scheck ist schon unterwegs«, stammelte die Fledermaus.
    »Hoffentlich verschwindest du bald von der Bildfläche!« fauchte Gedächtnis sie an, und die Fledermaus befolgte seinen Rat so gut, wie sie konnte. Da sie allerdings mit natürlichem Radar ausgestattet war, fiel ihr das gar nicht so leicht.
    »Wotan ist zur Zeit in einem furchtbaren Zustand«, sagte Gedanke. »Er ist alles andere als glücklich.«
    »Und was ist daran neu?«
    »Er ist überall auf der Welt herumgetingelt, um nach irgendwelchen Hinweisen zu suchen. Neulich ist er in Bolivien in eine Zinnmine eingestiegen und kam völlig verstaubt wieder heraus.«
    »Daß Bolivien nichts bringt, hätte ich ihm gleich sagen können«, bemerkte Gedächtnis. »Vielleicht sollten wir uns lieber trennen. Auf diese Weise könnten wir flächendeckender arbeiten. Du nimmst einfach die eine und ich die andere Hemisphäre oder so.«
    Gedanke dachte kurz darüber nach. »Nein, das funktioniert nicht. Du könntest nicht darüber nachdenken, wohin du willst, und ich könnte mich nicht daran erinnern, wo ich gewesen bin. Das wäre reine Zeitverschwendung.«
    »Ach, du kannst mich mal!«
    »Du willst also wirklich lieber allein los, oder was?«
    »Vergiß es!«
    Gedanke wollte noch etwas dazu sagen, besann sich dann aber eines Besseren. »Wart mal!« flüsterte er plötzlich. »Hörst du das?«
    »Was?«
    »Das ist wieder der Ring. Irgendwo dahinten.« Er deutete mit dem Flügel nach Osten. »Nicht weit weg von hier.«
    »Wie weit?«
    »Ich weiß nicht. Jetzt hat er wieder aufgehört.«
    Gedächtnis schüttelte den Kopf. »Am liebsten schmisse ich alles hin.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dieses sinnlose Herumfliegen und alles das. Ich meine, was bringt mir das?«
    »Aber so ist nun mal das Leben.«
    »Findest du?« Gedächtnis beugte sich ein Stück vor und schnappte sich eine Motte. Sie schmeckte bitter. »Denk doch nur mal an meinen Schwager – eigentlich ein untalentierter kleiner Möchtegern, wenn du mich fragst. Erledigte Botenflüge für die Mondgöttin. Kaum hatten die eins von diesen Telexgeräten, schon flog er raus. Also hat er einen von diesen Kurierdiensten gegründet – das war so ungefähr vor fünf Jahren –, und schau ihn dir jetzt an. Heute hat er im größten Wald von Sachsen ein Nest und dann noch eins in den Ardennen für den Winter, und ich möchte wetten, daß er sich nicht von Motten ernähren muß.«
    »Nester sind nicht alles«, gab Gedanke zu bedenken. »Schließlich muß einem die Arbeit auch eine gewisse Befriedigung verschaffen. Zum Beispiel kommen wir viel herum, dienen der Gesellschaft und …«
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Gedächtnis. »Aber anstatt unsere ganze Zeit zu verschwenden – warum behalten wir nicht lieber die drei Mädchen oder Alberich im Auge? Vielleicht wissen die mehr als wir.«
    Gedanke dachte darüber nach. »Kann sein. Ein Versuch kann jedenfalls nicht schaden …« Er hielt inne, und beide Vögel schwiegen. »Da ist wieder der Ring. Eindeutig irgendwo von dahinten.«
    »Ach, halt den Schnabel, und laß uns endlich die Rheintöchter suchen!«
     
    Malcolm konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Zwar war es ihm gelungen, den Gedanken an den Beinahezusammenstoß der beiden Flugzeuge zu verdrängen, aber das Zusammentreffen mit Alberich war nicht so leicht aus dem Gedächtnis zu streichen. Nie zuvor hatte er in

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