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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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steht ihm.«
    Floßhilde zuckte die Achseln. »Da können wir uns ja auf was gefaßt machen.«
    Malcolm schüttelte gerade Joe Ayres die Hand und sagte: »Gut gemacht, Joe.« Als er die Hand zurückzog, verkniff Joe Ayres schmerzverzerrt das Gesicht; vermutlich hatte ihm der feste Griff des Deutschen einen Knöchel verrenkt.
    »Es hätte schlimmer kommen können«, sagte Floßhilde. »Bedenkt man …« Sie hielt plötzlich inne und kniff Wellgunde in den Arm. »Schau mal da hinten beim Birnbaum! Jetzt sieh mal, wer da ist!«
    »O nein!« Wellgundes Augen funkelten vor Begeisterung, als sie Floßhildes Zeigefinger folgten, wodurch eine Birne am Baum vorzeitig reif wurde. »Ich kann’s einfach nicht glauben!«
    »Er sieht nicht einen Tag älter aus«, seufzte Woglinde entzückt.
    Die beiden anderen Mädchen streckten ihr die Zunge aus.
     
    Malcolm erkannte Alberich sofort, und als das Oberhaupt der Nibelungen auf ihn zukam, blieb ihm fast das Herz stehen. Dabei war der Nibelung gar kein so furchterregender Anblick, sondern lediglich ein grauhaariger kleiner Mann, der über den breiten Schultern einen dunklen Mantel trug. Es gab also keinen Grund, sich zu verdrücken, und Malcolm wich nicht von der Stelle, als sich ihm Alberich näherte und ihm die Hand entgegenstreckte. Malcolm hielt den Ring in der geballten Faust fest und legte die Hände auf den Rücken.
    »Sie müssen schon entschuldigen«, sagte Alberich auf deutsch, »aber ich habe Sie für jemand anders gehalten.«
    »Ach, wirklich?«
    »Ja. Für jemanden, den ich in Deutschland vor langer Zeit recht gut kannte. Sie ähneln ihm sehr, jedenfalls von weitem. Aber vielleicht war er doch ein Stückchen größer als Sie.«
    »Das kann ich mir allerdings kaum vorstellen«, antwortete Malcolm gedankenlos.
    Alberich grinste. »Woher wollen Sie das wissen? Aber Sie haben wirklich recht, er war nicht größer.«
    »Ich bin Manfred Finger«, stellte sich Malcolm vor. »Mir gehört dieses bescheidene Anwesen.«
    »Angenehm. Hans Albrecht.« Alberich grinste erneut. »Ich kenne in England leider nicht sehr viele Leute. Aber vielleicht ist Ihnen ja ein Freund von mir bekannt, der hier ganz in der Nähe wohnt.«
    »Leider kenne ich hier kaum einen Menschen«, entgegnete Malcolm und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin selbst erst seit kurzem hier.«
    »Nun, dieser Freund von mir ist eine recht bemerkenswerte Erscheinung, und vielleicht kennen Sie ihn ja doch. Sein Name ist Malcolm Fisher. Schon mal von ihm gehört?«
    »Jeder Freund von Malcolm ist auch mein Freund«, entgegnete Malcolm wahrheitsgemäß. »Aber ich kann mich nicht erinnern, daß er Ihren Namen mal erwähnt hat.«
    »Das ist typisch für ihn.« Alberich massierte sich den Zeigefinger der rechten Hand, als schmerze er. »Arthritis«, erklärte er. »Falls Sie ihn allerdings vor mir sehen sollten, könnten Sie ihn vielleicht daran erinnern, daß er noch etwas von mir hat. Einen goldenen Ring und einen Hut. Beides ist zwar wertlos, aber ich hätte es gern zurück.«
    »Leider ist Malcolm in letzter Zeit nicht mehr ganz der alte, aber ich werde ihn daran erinnern, falls ich ihn noch vor Ihnen treffen sollte.«
    »Wirklich? Das wäre sehr nett. Auf alle Fälle grüßen Sie ihn bitte von mir.« Alberich wandte sich bereits zum Gehen, dann hielt er noch einmal inne. »Ach, und noch etwas«, sagte er auf englisch. »Gut gemacht. Ihr Pferd hat mir gefallen. Auf Wiedersehen.«
     
    Als wenn nicht alles schon schlimm genug gewesen wäre, hörte Malcolm in den Spätnachrichten, heute nachmittag seien um ein Haar zwei Flugzeuge über Manchester zusammengestoßen. Wie der Nachrichtensprecher weiter ausführte, hätten bei einem Zusammenstoß vermutlich mehr als fünfhundert Menschen das Leben verloren. Zwar werde noch eine Untersuchung stattfinden, doch stehe es so gut wie fest, daß als wahrscheinliche Ursache des Zwischenfalls nur menschliches Versagen in Betracht komme.

6. KAPITEL
     
    Jemand mit sehr guten Augen hätte womöglich hoch über den Mendip Hills zwei winzige schwarze Punkte am dunkelblauen Abendhimmel ausgemacht, die durchaus Raben hätten sein können, wenn sie nicht so weit oben geflogen wären.
    »Irgendwo hier war das«, sagte Gedanke.
    »Genau dasselbe hast du schon beim letztenmal behauptet«, entgegnete Gedächtnis. Ihm schmerzten bereits die Flügel, und er hatte seit sechzehn Stunden nichts mehr gegessen. Während dieser Zeit hatten er und sein Kollege vierundzwanzigmal die Welt umkreist;

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