Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
seinem Leben solche Angst ausgestanden. Wirklich schlimm daran war, daß er nicht verstehen konnte, warum. Er war größer und stärker als der Nibelung, und er besaß sogar dank des Tarnhelms die Befähigung, sich nötigenfalls noch größer und stärker zu machen, als er es jetzt schon war. Doch hatte der Nibelung irgend etwas an sich, das seine eigenen Zauberkräfte unwichtig erscheinen ließ; er besaß Autorität, und Malcolm konnte es sich nicht leisten, einfach darüber hinwegzusehen.
    Er blickte auf die Uhr – es war halb zwei. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich nach Los Angeles oder Adelaide bringen zu lassen. Dort war jetzt heller Tag, und er könnte dort eine Tasse Kaffee trinken, ohne die Haushälterin wecken zu müssen. Er war gerade im Begriff, dem Tarnhelm die notwendigen Anweisungen zu geben, als er von draußen aus dem Flur ein Geräusch hörte.
    Combe Hall war voll von unerklärlichen Geräuschen, und jeder, den er danach fragte, machte die überalterten sanitären Anlagen und Wasserleitungen dafür verantwortlich. Aber irgend etwas sagte Malcolm, daß solche Einrichtungen allenfalls blubberten oder quietschten, aber bestimmt keine verstohlenen Schleichgeräusche von sich gaben. Ohne zu verstehen, warum, wußte er, daß er in Gefahr war, und irgend etwas sagte ihm, daß dies genau der richtige Zeitpunkt war, sich unsichtbar zu machen.
    Er stand jetzt direkt neben der verschlossenen Schlafzimmertür und hörte von draußen Fußschritte, bis sie plötzlich verstummten. Es gab ein tastendes Geräusch, ein Klicken, und die Tür wurde lautlos geöffnet. Malcolm erkannte sofort Alberichs Gesicht, das um die Ecke lugte, und einen Augenblick lang stand er wie angewurzelt da. Dann erst fiel ihm wieder ein, daß er beträchtlich größer als Alberich war und vor allem unsichtbar. Der Nibelung betrat auf leisen Sohlen das Zimmer und schlich sich an das Bett heran. Als sich Alberich vorbeugte, schlug Malcolm einige Male mit Händen und Füßen zu.
    Es wäre unfair, Malcolm zu unterstellen, daß er sich seiner Körperkräfte nicht bewußt gewesen wäre. Er wußte ganz genau, welche Kraft er besaß (und auch, wie sehr es ihm als Malcolm Fisher daran mangelte), aber bislang hatte er die Bärenkräfte von Siegfried dem Drachentöter noch nicht einsetzen müssen. Die Folge war, daß er Alberich offenbar mit voller Wucht getroffen hatte. Der Eindringling schrie gellend auf und stürzte kopfüber zu Boden.
    Malcolm war entsetzt. Im ersten Moment glaubte er, Alberich getötet zu haben, aber eine unkompliziert und laut vorgetragene Beschwerde seines Opfers überzeugte ihn rasch vom Gegenteil. Folglich war seine nächste Reaktion, sich bei seinem Opfer zu entschuldigen.
    »Tut mir leid. Aber, was zum Teufel, suchen Sie hier eigentlich?«
    »Sie Vollidiot!« fluchte der Herrscher der Nibelungen. »Sie haben mir das Bein gebrochen!«
    Malcolm meinte, dies geschehe Alberich ganz recht, und das sagte er auch so. Zudem könne Alberich sogar von Glück reden, so glimpflich davongekommen zu sein, zumal er bestimmt mit dem Vorsatz eingebrochen sei, einen Mord zu begehen.
    »Jetzt seien Sie nicht albern! Ich wollte nur den Ring wiederhaben«, wehrte sich Alberich, als habe er nur einmal vorbeischauen wollen, um sich eine Tasse Zucker zu leihen. »Und jetzt zu meinem gebrochenen Bein …«
    »Ihr gebrochenes Bein interessiert mich nicht die Bohne.«
    »Mich aber! Holen Sie einen Arzt.«
    »Sie betrachten wohl alles als selbstverständlich, wie? Sie sind mein absoluter Todfeind. Warum sollte ich … nun, warum sollte ich Sie eigentlich nicht auf der Stelle aus dem Weg schaffen?«
    Alberich lachte. »Sie? Für wen halten Sie sich eigentlich? Für Jack the Ripper?«
    »Wenn ich wollte, könnte ich selbst der sein!« drohte ihm Malcolm, aber der Nibelung winkte ab.
    »Sie täten doch nicht mal einer Fliege etwas zuleide, und genau das ist Ihr Problem. Sie werden es in dieser Welt zu gar nichts bringen, wenn Sie nicht Ihr Verhalten ändern. Und hat Ihnen eigentlich noch nie jemand gesagt, daß es unhöflich ist, unsichtbar zu sein, wenn man sich mit jemandem unterhält?«
    »Sie hören sich an wie meine Mutter.«
    Als Malcolm wieder in Gestalt des Siegfried erschien, blickte Alberich ihn finster an und sagte: »Wie ich sehe, geben Sie immer noch vor, jemand anders zu sein.«
    »Außerdem entscheide ich allein, wer ich sein will. Vor Ihnen habe ich schon längst keine Angst mehr.«
    »Freut mich zu hören. Vielleicht könnten Sie ja

Weitere Kostenlose Bücher