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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Mädchen. Was die anhatten, hätte gerade mal gereicht, um eine Fliege warm anzuziehen …«
    »Die Geschichte kenne ich«, unterbrach ihn Malcolm.
    »Ach, wirklich? Das konnte ich nicht wissen. Jedenfalls ging es mir gar nicht um Geld oder Macht – womit ich nicht sagen will, daß ich etwas dagegen gehabt hätte, ganz gewiß nicht –, sondern ums Prinzip. Bestimmt wissen Sie, wie es ist, wenn Ihnen jemand ohne jede Berechtigung etwas wegnimmt. Man ist wütend und hat ein mieses Gefühl im Magen. Und wenn dieses Etwas auch noch die Welt beherrscht, hat man ein besonders mieses Gefühl im Magen – nicht, daß ich die Welt direkt beherrschen will, ich glaube, dazu eigne ich mich nicht sonderlich gut. Aber das ist ungefähr so, als ob man zu einer ganz bestimmten Party nicht eingeladen wird. Man fühlt sich mies, selbst wenn man bei einer etwaigen Einladung gar nicht hingegangen wäre. Ich weiß, ich erkläre das nicht so gut, aber so was kann wirklich zur Besessenheit werden. Erst recht, wenn man die letzten tausend Jahre an nichts anderes mehr gedacht hat.«
    »Hätten Sie nicht irgendwas unternehmen können, um nicht immer daran denken zu müssen? Ich meine, eine Arbeit annehmen oder so was?«
    »Das mag Ihnen zwar merkwürdig vorkommen, aber achtundvierzig Stunden lang Herrscher der Welt gewesen zu sein – über diesen Zeitraum durfte ich den Ring behalten –, ist noch lange keine Empfehlung für andere Aufgaben. Außerdem hat man mich aus Nibelheim rausgeworfen.«
    »Wirklich?«
    »Und ob. Dabei kann man denen das nicht mal verübeln. Ich habe die Nibelungen zu meinen Sklaven gemacht und sie in die Goldminen geschickt, was für die Betroffenen natürlich kein Zuckerschlecken war.«
    »Und was haben Sie seither gemacht?«
    »Meistens Trübsal geblasen und mich in Selbstmitleid gesuhlt. Natürlich habe ich auch nach dem Ring gesucht und ein wenig freiberuflich als Metallurge im Bergbauwesen gearbeitet, nur um mich über Wasser zu halten. Hier, meine Karte.«
    Alberich holte eine Visitenkarte aus der Brieftasche hervor, auf der stand: ›Hans Albrecht und Partner – Bergbauingenieure und Hüttenbau, gegründet 900‹.
    »Die meisten Leute halten das Datum für einen Druckfehler, aber es ist natürlich keiner«, fuhr Alberich fort. »Jedenfalls habe ich das die ganzen Jahre über getrieben, und es war eine von Grund auf erbärmliche Zeit.«
    »Nehmen Sie doch noch einen Schluck«, schlug Malcolm vor und schenkte nach.
    »Danke. Ich kann Ihnen sagen, wenn ich heutzutage zuviel trinke, kriege ich sofort Probleme mit meiner Verdauung. Habe ich Ihnen das eigentlich schon gesagt?«
    »Ja.«
    Alberich schüttelte betrübt den Kopf. »Ich langweile Sie bestimmt. Aber ich will Ihnen mal etwas Sinnvolles erzählen. Selbst wenn Sie mir den Ring nicht geben wollen, darf er auf keinen Fall Wotan in die Hände fallen.«
    »Das hatte ich auch nicht vor. Noch einen Schluck?«
    »Warum nicht? Dann muß ich aber los. Es ist schon spät, und Sie sind den ganzen Tag als Pferd rumgelaufen. Das nimmt einen ganz schön mit, ich kenne das. Aber jetzt zu Wotan. Ich weiß zwar nicht, wie Sie es hingekriegt haben, aber Sie haben den Ring dazu gebracht, nur das zu tun, was Sie von ihm wollen. Dabei war das eigentlich gar nicht meine Absicht, als ich ihn damals geschmiedet habe. Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht genau daran erinnern, was meine ursprüngliche Absicht gewesen war. Das ist schon lange her. Ach, egal. Ist noch etwas Tonic da?«
    »Nein, leider nicht.«
    »Egal. Jetzt zu Wotan. Er ist hinterhältig, sehr hinterhältig. Aber solange Sie den Ring im Rücken haben …«
    Malcolm glaubte, daß ihm etwas unglaublich Witziges eingefallen sei. »Ich habe den Ring aber nicht im Rücken, sondern am Ringfinger der rechten Hand.«
    Die beiden lachten aus vollem Hals.
    »Jetzt aber mal im Ernst«, sagte Alberich. »Wenn Sie den Ring dazu bringen können, das zu tun, was Sie wollen, dann kann Wotan Ihnen gar nichts anhaben, es sei denn, Sie wollen auch das.«
    »Natürlich will ich das nicht. Ich will, daß er verschwindet.«
    »Natürlich wollen Sie das. Aber wie ich gesagt habe, Wotan ist hinterhältig. Hinterhältig, hinterhältig, hinterhältig. Wenn Sie nicht aufpassen, bringt er Sie genau dahin, wo er Sie hinhaben will, das garantiere ich Ihnen.«
    »Und wie?«
    »Das, mein Freund, bleibt abzuwarten. Die Zeiten, in denen man nur etwas mit bewaffneter Gewalt erreichen konnte, sind längst vorbei, heute zählen List und Tücke.

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