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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hören. Das ist unmöglich.«
    Unten auf der Straße wartete ein untersetzter, kräftig gebauter Mann darauf, daß der Nachtportier ihm die Tür öffnete. Gedanke schlug mit den Flügeln, um die Aufmerksamkeit seines Partners zu erwecken.
    »Sieh mal, da unten!« flüsterte er.
    »Das ist Alberich, was tut der denn hier?« stutzte Gedächtnis.
    »Ich hab’s dir ja gesagt«, triumphierte Gedanke. »Ich hab’s dir ja gesagt, aber du wolltest mir ja nicht …«
    »Schon gut, schon gut«, wehrte Gedächtnis ab. »Schließlich beweist das noch gar nichts. Ich meine, der kann hier ja auch aus einem völlig anderen Grund sein.«
    »Und der wäre?«
    Gedächtnis musterte verlegen seine Krallen. »Was weiß ich? Trotzdem heißt das noch lange nicht, daß …«
    »Ach, jetzt hör schon auf!« winkte Gedanke ab. »Wir haben ihn gefunden. Er ist irgendwo in diesem Dorf. Wir sollten lieber Wotan Bescheid geben.«
    Gedächtnis schüttelte den Kopf. »Ohne mich. Du kannst ja, wenn du willst. Wenn wir uns aber irren und Wotan wegen eines bescheuerten Fehlers hier seine Zeit verschwenden muß, dann gnade uns …«
    »Und was sollen wir jetzt deiner Meinung nach tun?«
    Beide dachten eine Weile angestrengt nach, aber vergebens. Dann hatte Gedanke eine plötzliche Eingebung. »Ich hab’s! Wir sagen es Loge, dann muß er es nämlich dem Chef erzählen.«
    Die beiden Raben lachten bösartig.

7. KAPITEL
     
    Am nächsten Morgen wachte Alberich mit dickem Kopf, Verstopfung und einem allgemeinen Unwohlsein auf. Er nahm ein Taxi nach Taunton, wo er feststellen mußte, daß er den Zug nach London verpaßt hatte und für etwa eine Stunde einer der trübseligsten Städte ausgeliefert war, die er in seinem sehr langen Leben kennengelernt hatte.
    Der einzige Ausweg war, ein oder zwei Tassen starken Kaffee zu trinken, und er machte sich auf die Suche danach. Als er in einem trostlosen Café in der Kingston Road saß, versuchte er, sich die verschiedenen Vorgehensweisen durch den Kopf gehen zu lassen, die ihm noch offenstanden. Doch stellte er schnell fest, daß man bei einem solchen Gesundheitszustand und erst recht im Zentrum von Taunton keine rationalen Gedanken fassen konnte. Als er sich entschied, das Ganze lieber sein zu lassen, nahm er eine ihm vertraute Stimme hinter sich wahr.
    »Wirklich, seit dem zwölften Jahrhundert trägt niemand mehr Blau«, sagte die Stimme. »Ich hätte so niemals auf die Straße gehen dürfen.«
    »Das hättest du dir eher überlegen müssen«, sagte eine andere, ebenso vertraute Stimme. »Manchmal bist du wirklich unmöglich.«
    Das letzte Mal, daß Alberich diese beiden und auch die dritte Stimme gehört hatte, die den anderen gerade widersprach, war vor etwa tausend Jahren in den Tiefen des Rheins gewesen.
    Er drehte sich bedächtig um und fragte: »Was macht ihr drei denn hier?«
    Floßhilde lächelte bezaubernd, was zu Folge hatte, daß die Milch im Kaffee augenblicklich zu Schlagsahne wurde. »Hallo, Alberich! Wie geht’s der Verdauung?«
    »Entsetzlich! Aber was treibt ihr hier?«
    »Kaffee trinken. Und du?«
    »Jetzt sei nicht so naßforsch, Floßhilde!«
    »Das können wir nun mal am besten«, entgegnete Woglinde, die ebenfalls betörend lächelte. Dahinter steckte allerdings allenfalls reine Böswilligkeit, da Alberich der Liebe abgeschworen hatte und deshalb selbst gegen das einnehmendste Lächeln immun war, auch wenn es von den Rheintöchtern stammte. Aber Woglinde lachte trotzdem – wie ein Jäger, der keinen Fasan entdeckt, hin und wieder eine vorbeifliegende Krähe abschießt. »Außerdem sind wir in unseren Gewohnheiten schon viel zu festgefahren, um uns jetzt noch zu ändern.«
    »Was macht ihr hier?« Alberich ließ nicht locker.
    »Das verriete uns aber«, antwortete Wellgunde geheimnisvoll, wobei sie wie ein Kaninchen mit der Nase schnüffelte. »Und du?«
    »Urlaub«, entgegnete Alberich mit einem Schaudern in der Stimme. »Ich stehe nun mal auf solche trostlosen Orte, wo man absolut nichts unternehmen kann.«
    »Das glaube ich dir sofort«, bemerkte Floßhilde schnippisch, womit für sie das Thema erledigt war.
    Aber Wellgunde war auf der Hut. »Wir machen hier einen Einkaufsbummel. In dieser Saison kommen alle hierher, um ein wenig von der prickelnden Atmosphäre mitzubekommen.«
    »Man könnte sogar behaupten, daß Taunton heutzutage der Nabel der Welt ist«, ergänzte Floßhilde kichernd und stieß Wellgunde unter dem Tisch mit dem Fuß an.
    Alberich schüttelte den Kopf, was für

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