»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Huhn mit Shrimps und als Vorspeise eine scharfe Thunfischrolle. Warum auch nicht? Zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Flugbegleiterin konnte ich es mir leisten. Ich gönnte mir sogar den gebratenen Reis dazu, anstelle des normalen gekochten, mit dem ich mich sonst immer begnügte. Um das Ganze noch zu toppen, ließ ich mir eine Flasche Sapporo-Bier bringen, und zwar eine große. So viel zum Thema Lebensstil!
Nach dem Essen verzogen sich die beiden Piloten sofort in ihre Zimmer, um mit ihren Familien zu telefonieren, während ich einen Spaziergang in ein Reformhaus direkt um die Ecke machte und mir zwei Proteinriegel kaufte. 24 Gramm reines Protein mit Joghurtüberzug. Welche Flugbegleiterin konnte da schon nein sagen? Den ersten würde ich gleich am nächsten Morgen brauchen. Dann kehrte ich ins Hotel zurück. Auf der Kommode neben dem Fernseher stand eine Flasche Evian. Nachdem ich sie gute fünf Minuten lang sehnsüchtig angesehen hatte, fiel mir ein, dass ich nicht aufzustehen und aus dem Wasserhahn zu trinken brauchte. Stattdessen könnte ich die Flasche nehmen und trinken, ohne mir über die 5 Dollar Gedanken zu machen oder tags darauf in den nächsten Laden rennen und einen Ersatz besorgen zu müssen, bevor ich auscheckte. Ich werde nie das Gefühl von Freiheit vergessen, das mich durchströmte, als ich den Plastikverschluss aufschraubte. Noch nie hat mir Wasser so gut geschmeckt.
Ohne zu zögern, griff ich nun nach der Fernbedienung und bestellte mir einen Film. Ich drückte MENU , scrollte mich durch die Liste, entschied mich für eine klassische Komödie und bestätigte mit OKAY . Ich kann nicht beschreiben, wie herrlich es war, einmal keine zwanzig Minuten damit zuzubringen, Kabel herauszuziehen, zu vertauschen, wieder zusammenzustecken und dabei einen elektrischen Schlag zu riskieren, nur um eine Weile kostenlos Kabelfernsehen schauen zu können. Das Leben war einfach wunderbar.
Und so kam es, dass ich auf dem Doppelbett eines gemütlichen Washingtoner Hotelzimmers lag und mir mit einem Stapel flauschiger Kissen im Rücken Weil es dich gibt mit John Cusack ansah, während in der Ferne ein großes weißes Gebäude (das Weiße Haus? Ich war mir nicht sicher) aufragte. Sie fragen sich, wie ich an diesen Job gekommen bin? Das ist eine ziemlich schräge Geschichte. Ein Jahr zuvor hatte ich Marks Bruder Brian auf einem Online-Dating-Portal kennengelernt. Ich bin allerdings nie mit Brian ausgegangen, weil ich mir – bis heute – ziemlich sicher bin, dass er in Wahrheit auf meine Schwester stand, die sich ebenfalls auf der Seite registriert hatte. Jedenfalls entpuppte sich Brian als unglaublich netter Kerl mit einer großen Begabung: Er liebte es, verschiedene Menschen zusammenzubringen und zu beobachten, was dabei herauskam.
Brian wollte sich den Privatjet seines Bruders leihen, um mit seiner Familie und ein paar Freunden seinen Geburtstag in Las Vegas zu feiern, und da er wusste, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, fragte er mich, ob ich mitfliegen und den Service übernehmen wollte. Natürlich war ich auf einem Privatjet nicht ausgebildet. Aber das war auch gar nicht nötig, weil die Maschine lediglich über vierzehn Sitzplätze verfügte und ich als Passagier gelistet wurde. Ich war eben ein Passagier, der auch Drinks servieren konnte.
Es wäre schön, behaupten zu können, die Arbeit in einer Privatmaschine sei die Erfüllung eines lange gehegten Traums gewesen. Aber ich muss gestehen, dass ich nicht einmal gewagt hatte, von so etwas zu träumen. Stattdessen fühlte ich mich an Bord wie in einem Film. Der Jet war traumhaft schön eingerichtet, und ich musste ihn aus sämtlichen Winkeln fotografieren, um bloß kein Detail des Interieurs aus beigem Leder und dunklem Wurzelholz zu vergessen. Wer wusste, ob sich mir jemals im Leben wieder so eine Gelegenheit bieten würde. Direkt vor dem Cockpit waren vier riesige Drehsessel zu einer Sitzgruppe arrangiert – klick. An der Seitenwand befand sich eine lange Ledercouch mit dekorativen Zierkissen – klick, klick! Im hinteren Teil der Kabine gab es einen Konferenztisch mit vier beweglichen First-Class-Sitzen – klick, klick, klick! An den Wänden hingen mehrere Fernseher. Man hatte mich angewiesen, auf allen einen bestimmten Sportkanal einzustellen, bevor Mark an Bord kam. Das Beeindruckendste war jedoch die Bordtoilette. Sie war sehr geräumig und mit goldenen Armaturen ausgestattet. Ich hatte noch nie im Leben einen so bequem aussehenden
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