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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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blieb.
    Na mach schon, ermunterte ihn Kaenemund.
    Heute ist Sonntag, sagte Gäntschow und sah kaum hoch.
    Er hat recht, es ist unkollegial, beharrte Kaenemund.
    Es ist kollegial zu den Bauern, sagte Gäntschow, Erntezeit ist eilige Zeit, sie gewinnen einen Tag dadurch.
    Du kommst also nicht? fragte Kaenemund.
    Nein, natürlich nicht, antwortete Gäntschow. Heh, holla, hierher mit den Pferden. Jetzt sind wir soweit.
    Kaenemund ging langsam in die verräucherte Hinterstube, die säuerlich roch. Das große, bunte Ungeheuer, dessen breite Eisenräder im Staub geriffelte Spuren hinterließen, rasselte klappernd und klirrend über die Dorfstraße. Es ist ein Jammer, wie sich selbst organisierte Arbeiter manchmal vergessen können, sagte der Sekretär und fuhr in seinem Vortrag fort; die Hühner und Gänse flüchteten zur Seite, Ausflügler schimpften über den Staub, die Maschine bog von der Straße ab und fuhr plötzlich leicht und nur noch |265| leise klappernd über die Stoppeln des angemähten Winterweizenschlages.
    Wer versucht’s also zuerst? fragte der Junge.
    Was für einer bist denn du eigentlich? sagte ein Bauer.
    Am Ende saß Johannes oben auf dem Eisensitz, die Flügel gingen seitlich hinter ihm. Zwischen den Tüchern lief der geschnittene Weizen bergauf, die Greifer faßten zu, schoben ihn zu einer Garbe zusammen, dann kam die Bindevorrichtung – ernst, mit zwei, drei Worten prüften die Bauern das Ergebnis.
    Prrr! rief der Junge. Halte einer die Pferde, die Bremsen sind wie toll – er bindet noch zu locker, was?
    Sie nickten.
    So müßt ihr einstellen. Komm du einmal her. Einer von euch muß es schließlich zuerst lernen …
    Es war schon nach acht, es dämmerte schon, als Johannes Gäntschow wieder in die Wirtschaft kam. Nein, Kaenemund war noch nicht weg. Die saßen immer noch da und redeten, aber der Junge ging nicht hinein zu ihnen. Er blieb auf der Veranda sitzen und aß zur Milch seine Brote.
    Er war müde und selig. Ihm waren die verlockendsten Angebote gemacht worden. Er hätte Großknecht werden können mit der Anwartschaft auf Einheirat – war es nötig, daß ein Bauernjunge, solch Bauernjunge, der es nicht nötig hatte, in die Stadt ging? Aber nicht wegen der Angebote war er selig. Er war selig, weil … Da war der warme Sommerwind gewesen, mit einem Hauch Frische von der See her, der dann und wann einmal sanft heranstieß, durch den Weizen lief, weg war. Da war die Sonne gewesen auf der Haut, heiß, immer tiefer in die Haut. Da war der schweißige, gute Geruch der schwer arbeitenden Pferde gewesen, die scharf und ebenmäßig abgemähte Weizenstoppel, die unter der Schuhsohle knackte. Das Burren und Summen der Fliegen, der Lackgeruch der neuen Maschine. Da war gewesen, daß man beim Mähen immer wieder auf eine Kuppe gekommen war, und das Land hatte tiefer gelegen: die langen, weißen Chausseen |266| mit ihren Baumrändern, die fröhlichen Felder in Gelb, Grün und Braun. Die tiefer dunkelnden Wälder hier und dort, die roten und schwarzblauen Dächer, eingebettet in Baumkronen, die blitzenden Bänder der Bäche.
    Ach – jawohl – du atmest nun wieder einmal mit deinem Herz! Wie lange gehst du schon in die rußig-feurige Werkstatt dahinten, mit den Drahtglasfenstern, die das Licht zu einer Konserve filtern, etwas Bleichem, Ausgelaugtem? Knapp fünf Vierteljahr? Und du willst immer dahin gehen? Nur mal so einen Sonntagssprung auf die Felder?! Überlege es dir gut.
    Später kam Kaenemund, und auch er half überlegen. Ich will dir was sagen, erklärte Kaenemund, über deine Arbeit kann keiner meckern. Du faßt zu wie ein Alter. Und drücken tust du dich auch nicht. Und Verlaß ist auf dich. Ich sage dir gar nicht erst, daß du über heute das Maul halten mußt, du hältst es schon so. Aber für die Partei taugst du doch nicht …
    Nein, sagte Johannes.
    Und ein Arbeiter wirst du auch nie. Du gehörst nicht zu uns.
    Aber wieso? fragte der Junge, zum erstenmal wirklich verwirrt. Es gehen doch immerzu Bauernjungen in die Stadt und gehören dann zu euch.
    Ich will es dir erklären, sagte Kaenemund wichtig, und sie gingen langsam weiter durch den Abend in die Nacht hinein, der Sekretär hat es uns gesagt. Du bist nämlich nicht nur ein Bauer, sondern du bist auch ein Aristokrat. Die Aristokraten, sagt der Sekretär, glauben immer nur an sich und denken immer nur an sich. Wir Arbeiter aber glauben an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und denken an die andern. Und darum müssen wir die

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