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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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beobachtet das Werk wortlos schon seit vielen Tagen unter seinen Urwaldbrauen hervor. Dann, als es ziemlich |260| fertig ist, schlägt er es dem Bengel mit einem einzigen Hammerschlag glatt wie eine Wanze. Kaenemund steht da, den Hammer in der Hand, und sieht wortlos den Jungen an. Sicher ist Kaenemund im Recht, denn einmal ist das nur ein Lehrjunge, zweitens ist das Messingblech Staatseigentum und drittens ist die Arbeitszeit nicht für gepunzte Aschenbecher da. Aber ebenso sicher ist Kaenemund im Unrecht, denn einmal tun es alle und zum andern hätte Kaenemund dem Jungen ja bei Beginn des Werkes nur ein Wort zu sagen brauchen.
    Der Junge und Kaenemund sehen einander über den breitgequetschten Aschenbecher an. Dieser Bengel hat es in sich. Er ist jetzt schneeweiß, mit Lippen wie Striche so schmal, ob er Erwägungen über Recht und Unrecht in gerade dieser Sekunde anstellt, bleibt zum mindesten zweifelhaft. Vielleicht überlegt er nur, ob eine Dreikantfeile gut zum Stechen ist.
    Laß mir mal den Hammer, sagt der Lehrjunge Gäntschow aber, und nimmt Kaenemund einfach den Hammer aus der Hand. Kaenemund gibt den Hammer willig her. Er sieht unverwandt und wortlos den Lehrling an. Der sieht jetzt wieder den Aschenbecher an, der Hammerkopf ist zu klein gewesen, er hat nur drei Viertel des Bechers platt geschlagen. Ein Viertel ist, wenn auch verzogen, noch schön gerundet. Der Junge nimmt den Hammer und schlägt auch noch das letzte Viertel platt. Er sieht sich die Sache noch einmal an. Er drückt Kaenemund den Hammer wieder in die Hand und wirft das verdorbene Stück in den Ramschkasten: So! Er macht sich wieder an irgendeine Arbeit, als gäbe es keinen Kaenemund. Der nickt langsam, ein- oder zweimal. Er ist entschieden der Reingefallene. Der Junge hat sich überlegen gezeigt, aber es scheint Kaenemund nichts auszumachen. Vielleicht ist er sogar zufrieden.
    Am nächsten Sonnabend fordert er den Lehrling zu einer Sonntagstour auf. Es ist das ja nun so eine Aufforderung. Es wäre ein Haufen zu klönen gewesen über das Warum und Wieso. Der Gäntschow aber überlegt nur einen Augenblick und sagt: Ja.
    |261| So gehen die beiden nebeneinander her. Es ist Sommer, kurz nach der Heuernte, direkt vor der Roggenernte. Das Gespräch tröpfelt nur. Der Junge ist ziemlich wortkarg. Eigentlich ist nichts Rechtes aus ihm herauszubekommen. Nein, er hat sich nicht über die Einladung zur Tour gewundert. Nein, er findet beim breitgeschlagenen Aschenbecher nichts dabei. Nein, er weiß nichts von Abstinenz und Guttemplerei. Milch und Himbeersaft schmecken ihm einfach besser. Wenn Kaenemund zum Ziel kommen will, muß er schon selbst auspacken. Er will das auch. Aber es geht schlecht bei diesem Bengel. Nicht, das Kaenemund noch Angst hätte, dieser Junge ist bestimmt kein Schwätzer und senkt ihn sicher nicht rein. Aber Gerede über die Ungerechtigkeit, daß ein anderer, bloß weil er ein Jahr – drei Jahre, verbessert Johannes – also drei Jahre früher geboren ist, den Hof erbt, und er geht leer aus – solch Gerede verfängt nicht. Es zieht auch nicht, als Kaenemund davon spricht, daß seine Kinder ewig dazu verurteilt sind, wieder Arbeiter zu werden, bloß, weil ihr Vater nicht genug Geld für eine gute Ausbildung verdient. Während der Bauer Gäntschow seinen Sohn immerhin schon auf ein Technikum schicken kann. Ob das gerecht sei, ob er, Gäntschow Johannes, so etwas für richtig halte?
    Vielleicht hat der Bengel nicht ordentlich zugehört, er beschäftigt sich augenblicklich mit einem Kartoffelschlag neben dem Wege: Die werden nie was, der Boden ist eben zu leicht, und das Grundwasser am Hang hier steht viel zu tief. Die ganze Winterfeuchtigkeit sickert weg.
    Das ist keine Antwort und kein Aufpassen, Kaenemund geht jetzt grade auf sein Ziel los. Er fängt an, von der Partei zu erzählen, von Marx, der ein Buch über das Kapital geschrieben hat, und von Engels, der mit diesem Marx zusammen etwas, was das Kommunistische Manifest heißt, geschrieben hat.
    Es ist Theorie, versteht der Junge, es gibt so etwas auch für den Bauernhof, warum Kali, Stickstoff und Phosphorsäure in dem und dem Verhältnis im Boden sein müssen, und warum |262| ein Schwein bei reiner Kartoffelfütterung verhungert. Aber welcher Bauer verfüttert nur Kartoffeln?! Ein bißchen Roggen- oder Gerstenschrot wird immer da sein!
    Kaenemund redet jetzt von der Partei. Sozialdemokraten. Jawohl, davon hat Gäntschow schon gehört, aber bei ihnen auf Fiddichow gibt es

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