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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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solche nicht. Es hat etwas mit dem Kaiser zu tun, aber gesehen hat er noch keinen.
    Doch, er hat schon einen gesehen. Kaenemund ist der erste, den er gesehen hat. Und wenn Gäntschow nun nicht den Mund halten kann, so sitzt Kaenemund morgen mit seiner Familie auf der Straße, denn das Eisenbahnausbesserungswerk ist ein staatliches Werk und beschäftigt keine Sozialdemokraten, Vaterlandsfeinde.
    Kaenemund ist ein erfahrener Mann. Jetzt erzählt er von seinem Leben, von Verfolgungen, Unterdrückungen, Hetzereien, bloß, weil er an etwas anderes glaubt als vorgeschrieben, eine bessere Welt will.
    Der Junge hörte jetzt gut zu. Gewiß, Kaenemund hatte es schwer. Das sah der Junge ein. Aber sein Kreis war so klein, er dachte noch immer in Bauernhöfen, im Gewachsenen, in Tieren – Kaenemund hoffte auf die Versammlung. Sie fand in einer kleinen, ländlichen Wirtschaft statt, in einem Hinterzimmer. Draußen war Sommer und Sonnenschein, hier aber saßen zehn, zwölf Männer bei Bier und Zigarren zusammen und besprachen etwas Hochwichtiges. Die Vorbereitung eines Streiks, der vielleicht im nächsten Frühjahr losbrechen und den Eisenbahnverkehr im ganzen Reich lahmlegen sollte. Manche von den Männern kannte Gäntschow aus der Werkstatt, andere hatte er flüchtig gesehen. Dann war noch ein fremder Mann dabei, fast schon ein Herr, mit einer Aktentasche. Der Fremde redete am meisten, die Arbeiter hörten ihm stets aufmerksam zu, sie nickten langsam mit den Köpfen und sagten zögernd oder nachdenklich etwas. Allmählich begriff der Junge, daß dieser gutgekleidete Mann so etwas wie ein Angestellter der Arbeiter war. Der Junge hörte aufmerksam zu. Kaenemund beobachtete ihn nicht ohne Besorgnis. |263| Er mußte doch empfinden, welche Ehre es war, daß er bei dieser Beratung dabeisein durfte –?!
    Aber dann stand plötzlich der Junge auf und ging hinaus. Und so lange Kaenemund auch wartete, er kam nicht wieder. Schließlich fand ihn Kaenemund hinter einer Scheune, an einer blau, rot und gelb lackierten Maschine – der junge Gäntschow strahlte: Oh, ein Wunderding, ein Selbstbinder, eine Maschine, die zugleich mähte und die Garben band. McComnick, aus Amerika gekommen. Die Bauern fanden damit nicht zurecht. Gäntschow hatte die Jacke ausgezogen. In der einen Hand trug er einen Schraubenschlüssel, einen Engländer, in der andern hielt er die Gebrauchsanweisung.
    Hallo, Kaenemund, rief er, auch mal draußen? Sehen Sie das Dings an, das erste Dings von der Art, das ich sehe. Mäht und bindet zugleich. Mit den Messern habe ich es schon in Ordnung. Aber der Bindfaden … Er muß hier durchgeführt werden, dann durch diese Öse gefädelt …
    Hannes sah abwechselnd in die Anleitung und in die Maschine.
    Halt, sagte Kaenemund, da muß noch eine Schraube und eine Feder sein. Wo sind die –?
    Er warf auch seine Jacke ab. Die Bauern standen dabei. Erst schien ihnen die Sache verdächtig, aber dann sahen sie diese verarbeiteten Fäuste, aus denen die gründlichste Sonntagswäsche das Schmieröl nicht ganz hatte wegwaschen können, diese Finger, die so geschickt zufaßten …
    Vadding, schirr immer schon die Pferde an, sagte Johannes, in einer halben Stunde fangen wir an.
    Aus dem Versammlungslokal kamen Menz und Fleege, nach den Fehlenden zu sehen. Innerhalb drei Minuten waren auch sie ohne Jacke. Menz lag unter der Maschine, Fleege revidierte die Ablegeflügel, die schlecht angeschraubt waren.
    Ich bin ja so gespannt, wie das Dings arbeitet, sagte Hannes. Auf meines Vaters Hof …
    Halt den Sabbel. Zieh die Mutter an, Mensch. Siehst du nicht, daß der Bolzen sich noch dreht?!
    |264| Eine Viertelstunde später waren alle Arbeiter draußen. Welche ratschlagten nur. Aber die meisten arbeiteten. Die Bauern kamen mit den Pferden. Augenblick noch, gleich sind wir soweit.
    Sind wir zu solchen Kindereien hier? fragte der Gewerkschaftssekretär leise und böse. Seit wann machen Proleten für die Bauern kostenlos Sonntagsarbeit?!
    Recht hat er, stimmte Thormann zu.
    Ist das Arbeit? fragte Kaenemund hitzig, das ist Spaß. So ’ne neue Maschine ist was Großartiges. Fein ist die ausgetüftelt.
    Aber ihr nehmt andern Arbeitern die Arbeit weg, beharrte der Sekretär. Die Bauern hätten morgen einen Monteur aus Greifswald kommen lassen müssen.
    Na also, sagte Kaenemund zögernd und ärgerte sich gewaltig. Er nahm seine Jacke. Kommt, Gäntschow, komm auch, wir müssen weitermachen.
    Die andern kamen, zögernd oder bereitwillig. Gäntschow

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