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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Muskelkater –? Ein Muskelkater ist gar nichts, du wirst brüllen, schreien vor Schmerzen, wie ’ne Frau, die ihr Kind kriegt!
    Kling, Klang, Gloria! Gut der Mann. Eigentlich vorzüglich der Mann. Aber warum guckst du bloß so? Von wo bist du her? Von Fiddichow? Und dein Vater hat einen Hof? Du bist wohl noch stolz auf deinen Mist, immer die Botten voll Mist, darauf bist du stolz?! Kling, Klang, Gloria. Jetzt machen wir aber eine Pause, und nachher kannst du gehen und Gewinde einschneiden. Zur Erholung. Und sag deiner Schlummermutter, so was sind keine Frühstücksstullen, das scheißt einem |258| ja ein Vogel in die Hand. Zehnmal rum ums Brot. Und die Butter nicht gespart. Und Wurst, daß man keine Butter mehr sieht. Bei euch Mistbauern hängen die Schweine ja kostenlos im Rauch. Na, laß gut sein, Hans. Nun guckst du schon wieder mit Tassenaugen. Und nun grinst du. Worüber grinst du eigentlich? Habe erst einmal deine Olle und fünf Ungelernte zu Haus. Das Kieken und Grinsen wird dir schon vergehen. Zu grinsen ist für unsereinen gar nichts. Aber ein fixer Kerl bist du doch. Und wir wollen dir schon was beibringen, in der Maschinenschlosserei soll dir später keiner was vormachen können.
    Muskelkater, Schmerzen wie eine gebärende Frau? Jawohl, um halb sieben im Haus, beim Abendessen schon schlafen und bis sechs Uhr morgens durchgepennt und dann mit krummen, verbogenen Knochen in die Werkstatt gekrochen, mit Gliedern, die ein glühender Aufruhr von Schmerzen waren. Aber in ihm saß etwas, das härter war, als er selbst sein wollte, das nicht nachgab, und wenn man noch so sehr daran zerrte. Wachsejahre – ja, in jedem Sinn. Der Körper ächzte und flehte, aber es tat ihm gut. Kein Gramm Fett, Muskeln, Sehnen. Ein Gebäude aus Stahl. Damit war etwas zu verrichten in einem Leben!
    Der Geist – nun, zu den Arbeitern gehörte er nicht. Sie regten sich über sein Gucken auf, und zu den Studenten, zu den Gebildeten, gehörte er auch nicht.
    Sieh einmal, er war allein mit sich. Es war nicht unmöglich, daß diese ganze Christiane nur ein Blendwerk gewesen war, eine holde Täuschung, begünstigt durch die weichen Jugendjahre, ein Inseldasein, in dem sie beide allein unter aller andern Jugend gehaust hatten. Jetzt gab es keine Weichheit mehr. Die Jugend war vorbei. Härte, Eisen und Stahl, Vier- und Dreikantfeile, Vorschlaghämmer, Arbeiter, die ihn sich zurecht höhnen wollten. Nein, kein Gedanke daran, Christiane fehlte ihm nicht. Es war kein leerer Fleck in ihm. In diesen Jahren wuchs er über alle seine Ländereien, seine Berge und Täler hin. Alles überwucherte sein eigenes Kraut. |259| Kein Brachland, kein toter Acker, nichts von fremder Hand Bestelltes.
    Was tat er eigentlich mit sich? Er bekam Muskeln und wurde stark. Das war gar nicht so wenig. Wenn ein Student ihn wieder angrinste, bitte schön, das machte nichts. Man kann sich auch nicht den Wind verbitten. Aber wenn ein Student die Schulter nahm und ihn rempelte, dann nahm er die Faust, und meistens genügte ein Schlag. Satisfaktion? Duell? Säbel? Meine Waffe ist der Hammer, sagte er. Ich schlage vor, daß wir so lange mit vierzigpfündigen Hämmern aufeinander losschlagen, bis einer von uns liegenbleibt. – Das ist keine Waffe? Das ist doch eine Waffe. Das ist nämlich meine Waffe! – Seine Waffe sind die Pistolen? Nun gut, ich schlage vor, daß wir so lange mit den Fäusten aufeinander losschlagen, bis wir sehen, welche Waffe gilt.
    Nichts zu machen. Der Bauernstamm Gäntschow, in fremdes Land verpflanzt, aber darum nur um so reiner erwachsen. Unverfälscht.
    Die Arbeiter –? Nein, die Arbeiter sind kein Problem. Es gibt da einen Dreher, einen gewissen Kaenemund, einen untersetzten, fast weißblonden Stubben, der unter buschigen Brauen hervor den Lehrling Gäntschow scharf beobachtet. Manchmal paßt es ja so, es ist wirklich weniger Arbeit da, oder der Lehrling ist schneller mit seinem Teil fertig geworden als erwartet, dann holt der Lehrling aus der Lade seiner Drehbank ein Stück Messingblech. Er ist schon ziemlich weit damit, das starke Messingblech wird gezogen und gehämmert, es soll wohl ein Aschenbecher für daheim daraus werden. So was machen sie hier alle nebenbei. Besonders wenn Weihnachten in der Nähe ist, aber auch, um sich die eigene Kunstfertigkeit zu beweisen: unter klugen Händen wächst aus so einem flachen, gewalzten Blech das fehlerlose, bauchige Rund einer Schale.
    Der Lehrling Gäntschow macht das nicht schlecht, Dreher Kaenemund

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