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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Briefes betraut hatte. Kaum war sein Boot im seichten Inselwasser aufgelaufen, so sah er zu seinem Schrecken hinter einem Kiefernbusch ein altes wüstes Weib mit wilden weißen Haarzotteln im spitzen Gesicht hervorstürzen, eine Büchse schwingend und dabei wilde Schreie wie ein Raubvogel ausstoßend. Ehe er sich noch besonnen hatte, fühlte er den Flintenlauf auf der Brust, und eine fast geisterhafte Stimme befahl ihm, sich von hinnen zu machen und nie wieder diesen Strand zu betreten.
    Da der Bengel nicht eben zu den Mutigsten gehörte, so stieß er sein Boot mit solcher Gewalt vom Ufer ab, daß er beinahe mit einem einzigen Stoß das bergende heimische Schaproder Ufer erreichte. Um aber seine Niederlage vor einem alten Weibe dem Dorfgespött zu verheimlichen, machte er aus seiner Flucht ohne Gegenwehr einen wilden Kampf, bei dem ihm die Schrote nur so um die Ohren gepfiffen seien.
    In Schaprode kam man zu der Ansicht, daß die alten Hühner da drüben vollkommen verdreht geworden seien, und sandte den unbestellbaren Brief mit einem kurzen, aber inhaltvollen Bericht des Gemeindevorstehers an das Kloster zur heiligen Anna in Stralsund zurück.
    Aber ehe hierauf noch etwas erfolgte, hatte der Gerichtsbote Eleazar Zörrgiebel eine Zustellung bei den beiden Fräulein Nipperwiese anzubringen. Ganz ungewarnt nahte sich dieser gute, etwas behäbige Mann, mit seinem Boot von Udars kommend, dem Gestade der Oie, wo er auch noch das Unglück hatte, grade zur Ablösung der Wache zurecht zu kommen. Er sah sich also nicht einer, sondern beiden Nipperwiese gegenüber, dazu einem drohenden Schießeisen und einer an einem Strick wild daherstürmende Kuh. Denn die beiden Mädchen hatten sofort das verhaßte Mützenrot erspäht und waren, ohne alle theoretischen Kenntnisse in der Strategie, zum Überrumpelungsangriff übergegangen.
    Ehe der gute Mann noch wußte, was eigentlich los war, hatte er drei oder vier kräftige Steine in Boot, Brust und Weiche, eine wild brüllende Kuh hatte versucht, mit ihren Vorderbeinen |33| zu ihm in den Kahn zu klettern, was einem Schiffbruch mit schmählichem Ersaufen gleichgekommen wäre, und eine nicht weniger wild schreiende zweite Alte hatte ihm den Schießprügel vor den Brustkasten gestoßen, daß er von der Bank auf den Bootsboden sank.
    Als er ächzend, an vielen Stellen blutrünstig und blau, wieder zu sich gekommen war, trieb er weit draußen auf dem Schaproder Bodden, und die schreckliche Oie lag nur noch fahl zusammengekrochen wie ein Untier am helleren Horizont.
    Dieser Bericht wurde zu Stralsund mündlich erstattet, und mit so viel Zorn und ehrlicher Entrüstung, wie sie ein sonst nicht mehr leicht zu kränkendes Gerichtsbotenherz nur aufzubringen vermag. Die Folge war, daß schon nach einer Woche ein schwerbewaffneter Gendarm, von einem Hund groß wie ein Bullenkalb begleitet, nach der Schaproder Oie abgeordnet wurde.
    Dort war die kriegerische Stimmung infolge der gewonnenen Schlachten bis zur Siedehitze gestiegen, und die beiden alten Fräuleins hatten beschlossen, fürder nicht einen Menschen mehr, er möge wollen, was er wolle, den heiligen Strand ihres Eigentums betreten zu lassen. Leider mußte aber trotzdem der Wachtdienst für eine Weile unterbrochen werden, denn Fräulein Elfriede, die beim Abstoßen des feindlichen Bootes unversehens in tiefes Wasser geraten war, wurde von einem besonders schweren und schmerzhaften Anfall ihres Rheumatismus heimgesucht. Einige Linderung gewährten ihr – neben der Freude über den errungenen Sieg – warme Moorschlammwickel, aufgelegt durch ihre Schwester Frieda.
    Als der Mißgeschicke bösestes mußte grade in das Auflegen eines solchen heißen Moorwickels der Landgendarm mit seinem Hund hineingeraten. Er war in den Stall eingetreten, ehe sie es sich versahen. Die Kranke stieß einen wilden Schrei aus, halb aus Schmerz, denn sie hatte sich ungeachtet ihres Leidens aus dem Bett auf den Eindringling stürzen wollen, viertel aus Scham, da sie wegen des Wickels |34| entblößt war, viertel aus Kampfeslust. Die andere Schwester war wild auf die Büchse, Kranke und Wickel vergessend, zugeschossen, der Landgendarm sagte höflich guten Tag, der Bullenkalbhund bellte wild die Kuh an, die ihm das Horn zuneigte, der Stall war von einem Wirrwarr von Geräuschen erfüllt. Da hatte schon der Mann das gefährliche Schießgewehr dem schwachen weiblichen Arm entwunden, hatte aber auch auf den ersten Blick gesehen, was von den Fabelmärchen von spritzenden

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