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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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besonders hatte er nun schon immer einige Sympathien gehabt. Und was er da so vorfand an Steinäxten und Messern und Pfeilspitzen, das tat seiner Seele gut. Aber mit der Bildhauerei war auch was los. Die Modernen sagten ihm zwar gar nichts, und mit den Griechen und Römern wußte er überhaupt nichts anzufangen. Aber da waren die ollen Ägypter und Assyrer, und da konnte man nun allerdings stundenlang dazwischen herumwandeln und so seine Betrachtung anstellen und war beinahe glücklich.
    Es gab da eine Mutter, die ganz in einem Stein drinsteckte, nur der Kopf sah heraus, und ihr Kindlein steckte vor ihr den Schädel aus dem Stein. Nun ja, das war wirklich etwas. Das konnte man sich ansehen, und man hätte den Kerl dahaben |578| mögen, der das gemacht hatte, mit dem hätte man schon ein Wort reden können.
    Wenn man dann mittags mit Christiane am Tisch saß und sie anschaute, so konnte das einem grade wieder einfallen. Man betrachtete sie dann so, daß sie wirklich wieder einmal aufmerksam wurde und fragte, was wohl sei.
    Wenn er dann aber erzählte, was er gesehen hatte, so war sie ganz nachdenklich, und sie konnte völlig mit dem alten Stimmklang sagen: Siehst du, Hannes, das gibt es alles noch auf der Welt. Und viel mehr noch, als du dir je träumen läßt.
    Und dann sah nun sie wieder ihn so an, daß er am liebsten auch gefragt hätte, an was sie denn nun eigentlich dächte, aber das tat er nun doch nicht. Denn das wußte er ja aus mancher Erfahrung, auf eine solche Frage hatte noch nie ein Mann von einer Frau eine Antwort bekommen.
    Wenn aber die Museen um drei oder vier schlossen, dann war er wieder heimatlos, denn nun blieben nur die Kaffeehäuser mit ihrer schrecklich lärmenden Musik, oder die Kinos, die ihn unsagbar müde, zerstreut und traurig machten.
    Von sieben bis acht aß er mit Christiane zusammen, und dann mußte er wieder die Zeit vertrödeln bis zehn Uhr, wo er in seine Bar konnte.
    Ja, dieser Bauer aus Fiddichow war ein Bargast geworden. Aus lauter Verzweiflung war er einmal in solch ein Ding hineingestolpert. Dann hatte er es aber gemütlich gefunden, da am hohen Bartisch auf seinem Hocker zu sitzen und abwechselnd Bier und Korn zu trinken, aber der hieß hier Aquavit und war schandbar teuer.
    Es war eine stille kleine, anständige Bar mit Stammpublikum. Es gab nur einen einzigen Klavierspieler, der auch keinen Krach machte, und hinter der Bar saßen nur zwei Mädchen, eine etwas ältere, mit der man sich gut unterhalten konnte, und eine junge, kleine Schönheit, die mehr trank, als sie vertragen konnte, aber von der älteren und dem Wirt streng beobachtet wurde. Alles in allem genommen saß es sich hier so übel nicht. Die Mädchen hatten sich ganz an ihn |579| gewöhnt und kümmerten sich nur um ihn, wenn er es wollte, und wandten sich erst dann mit einer Bitte an ihn, wenn der Durst gar zu groß wurde und andere Gäste gar nicht kommen wollten.
    In Warder wäre so was natürlich ein Unding gewesen, nach zehn Uhr abends noch auf zu sein und gar in eine Gastwirtschaft zu gehen. In Kirchdorf war der Reesesche Krug, wenn nichts Besonderes los war, schon um neun Uhr dunkel. Aber was war hier zu machen? Schlafen konnte man in dieser Höllenstadt doch noch nicht, ewig hupten und schliffen die Autos unter den Fenstern vorüber, um elf und um zwölf, um eins und um zwei, ja um drei noch kamen Gäste in die Pension zurück, die an den Schaltern drehten und Wasser plätschern und in Becken laufen ließen, die unterdrückt lachten. Früher, noch vor kurzer Zeit, hätte Gäntschow gegen schlaflose Nächte gar nichts einzuwenden gehabt, er hatte immer vieles zu bedenken und lag gerne wach in den Kissen, eine Pfeife im Mund und möglichst eine Pelzmütze auf dem Kopf –, die hatte er sich in den kalten Rüganer Wintern angewöhnt.
    Aber in letzter Zeit hatte sich eben alles verändert. Er lebte in einer verzauberten Welt. Da saß er denn am liebsten in seiner kleinen Bar und redete auch einmal mit dem älteren von den beiden Mädchen und zog eine Hand aus der Tasche, einen Abguß nach einer alten ägyptischen Steinhand, den er sich gekauft. Sie betrachteten beide die Hand, und er sprach von der kleinen Lebenswelle, die in ihr nach zwei Jahrtausenden noch da war. Später sah er dann dem andern Mädchen zu, wie sie mit ihren Kavalieren dalberte und trank, und erkannte, wie verkorkst und aussichtslos sie war mit ihren neunzehn Jahren, und griff schließlich ein und verordnete ihr bitterböse einen leichten

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